Informationstechnologie für barrierefreie Büros

(c) AP
  • Drucken

Moderne Technologien helfen, Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt zu integrieren.

Knapp 1,7 Millionen Österreicher leiden aktuell an einer nachhaltigen gesundheitlichen Beeinträchtigung. Mehr als 31.000 dieser 1,7 Millionen sind, dem Behindertenbericht 2008 des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz zufolge, auf der Suche nach einem Job.

In der Praxis ist es für Menschen mit besonderen Bedürfnissen äußerst schwierig, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. „Die Probleme beginnen meist schon bei unzureichenden baulichen Vorkehrungen wie Stufen und zu engen Türen, die Menschen mit Behinderungen von der Arbeitswelt ausschließen“, weiß Michael Takemura, der für das HP Accessibility Program verantwortlich zeichnet und nach einem Unfall selbst im Rollstuhl sitzt. Doch nicht nur bauliche Mängel sind zu beseitigen, „in erster Linie gilt es, organisatorische, technische und kulturelle Barrieren im eigenen Unternehmen abzubauen“, betont Thomas Lutz, Manager PR & Public Affairs bei Microsoft Austria. „Barrierefreie Technologien müssen dabei stets flexibel sein und an Sehkraft, Beweglichkeit, Gehör, Sprache und Lernbedürfnisse des Einzelnen angepasst werden“, so Lutz.

Spezielle Eingabegeräte

Hier kann insbesondere im Bereich der IT Abhilfe geschaffen werden: Alternative Eingabegeräte ermöglichen beispielsweise Benutzern mit körperlicher Behinderung, den Computer mit anderen Geräten als Tastatur und Maus zu kontrollieren: Touchscreens erlauben die Bedienung des PCs durch Berühren der auf dem Bildschirm angezeigten Elemente. Alternative Tastaturen haben im Vergleich zu normalen Keyboards größere oder kleinere Tasten, besitzen spezielle Steuerelemente oder sind mit einer Hand bedienbar. Elektronische Zeigegeräte dagegen kontrollieren den Zeiger auf dem Bildschirm gänzlich ohne Verwendung der Hände. Dies geschieht beispielsweise durch Ultraschall, Infrarotstrahlen, Augenbewegungen, Nervensignale oder Gehirnwellen. Alternativ dazu ermöglicht Spracherkennung, Befehle und Eingaben mittels Stimme zu tätigen. So können Texte und E-Mails verfasst, Internetseiten angesehen und Programme bedient werden.

Um gehörlose Menschen besser in den Arbeitsprozess einzubinden, werden Lichtsignale anstelle von Tönen verwendet. Derartige Signale können beispielsweise das Eintreffen eines neuen E-Mails ankündigen oder das Ende eines länger dauernden Vorgangs anzeigen.

Für blinde Menschen erzeugen Braillezeilen eine tastbare Abbildung des Bildschirminhalts. Auch Screenreader sind besonders für Personen mit Sehschwäche konzipiert. Sie wandeln den Bildschirminhalt in Sprache um. Der Benutzer hat die Möglichkeit, den Bildschirminhalt durch Zuhören zu erfassen, egal ob es sich um Text, Grafiken oder Steuerelemente wie Schaltflächen oder Menüs handelt. Text-to-Speech (TTS) oder Sprachsynthesizer ermöglichen es blinden Mitarbeitern und Personen mit Lernschwierigkeiten zu hören, was sie eingeben. Auch sogenannte TTY/TTD-Modems können eine wichtige Hilfe im Arbeitsalltag sein: Sie schicken einen am Computer eingegebenen Text gesprochen an ein Telefon. „Im Laufe der nächsten Jahre ist außerdem mit sprachgesteuertem Internet zu rechnen – eine Entwicklung, die nicht nur für Menschen mit Behinderung einen enormen Vorteil bringt, sondern auch ganz allgemein den Zugang zu Information erleichtert“, weiß Georg Haberl, Pressesprecher IBM Austria.

Auch für Kunden barrierefrei

Zugang zu Information ist ein wichtiges Stichwort. Denn Unternehmen haben nicht nur für behindertengerechte Arbeitsplätze zu sorgen, auch auf Kunden mit Beeinträchtigungen muss Rücksicht genommen werden. Ein barrierefreier Webauftritt ist daher von besonderer Relevanz. „In diesem Zusammenhang hat sich der WAI-2.0-Standard der Web-Accessibility-Initiative als gute Basis herausgestellt“, erklärt Lutz. Wichtig sei vor allem, dass die Kriterien des World Wide Web Consortiums (W3C) für einen barrierefreien Webauftritt bereits vor der Erstellung von Web-Content berücksichtigt würden, betont Lutz. „Eine Anpassung im Nachhinein ist meist aufwendig und kostspielig. Am besten werden die Richtlinien daher bereits im Content-Management-System (CMS) und im Prozess der Content-Erstellung integriert“, so der Unternehmenssprecher von Microsoft Österreich. Viele Content-Management-Systeme erzeugen nach wie vor Sites, die für Menschen mit besonderen Bedürfnissen schlecht zugänglich sind. Personen mit motorischen Störungen beispielsweise können keine Maus bedienen und bewegen sich mit der Tastatur durch das Navigationsmenü. Eine sinnvolle Reihung der Verlinkungen ist deshalb unbedingt erforderlich.

Websites mit Gebärdensprache

Für gehörlose Personen müssen Audiodateien von visuellem Inhalt begleitet werden. Zusätzlich ist es möglich, Videos in Gebärdensprache auf der Website zu integrieren. Menschen mit Farbfehlsichtigkeiten benötigen klare Kontraste sowie die Möglichkeit zum Wechsel der Farben von Schrift und Hintergrund. Und um Sehbehinderten eine angepasste Website zu bieten, sollten bei der Navigation Bilder, Flash-Objekte und Java-Applets ausgespart werden.

IN KÜRZE

Menschen mit Behinderungen haben es schwer, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Angepasste Soft- und Hardware wie Spezialtastaturen oder Programme zur Spracherkennung können die Integration in den Arbeitsalltag erleichtern. Unerlässlich sind organisatorische und konzeptionelle Maßnahmen, wie etwa die behindertengerechte Gestaltung von Websites und Navigationsmenüs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.