Das eigene Kind als Versuchsobjekt

(c) Pawan Sinha
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Wissenschafter in den USA greifen oft auf ihre eigenen Kinder als Testpersonen zurück. Der Grund: Sie kosten nichts und sind leicht verfügbar.

Wozu Fremden Geld bezahlen, wenn man das Experiment auch in der Familie machen kann? Das denken sich einige jüngere Wissenschafter in den Vereinigten Staaten. Pawan Sinha, Professor für Neurowissenschaften am Massachusetts Institute of Technology (MIT) freute sich schon bei der Geburt seines Sohnes darauf, mit ihm experimentieren zu können. Gesagt getan, klein Darius erhielt eine Webcam auf den Kopf montiert und zeichnete alles auf, was der Säugling sah.

Dass Wissenschafter an ihren eigenen Kindern Untersuchungen vornehmen ist an sich nichts Neues. So verabreichte zum Beispiel Jonas Salk seinen Kindern die von ihm entwickelte Polio-Impfung. mit Dank moderner Technik können sie aber neuartige und vor allem detailliertere Daten sammeln als in der Vergangenheit. Noch dazu argumentieren die Wissenschafter, dass die eigenen Kinder leicht verfügbare und verlässliche Kandidaten seien.

"Man braucht Testperonen, und die sind schwer zu bekommen," verteidigt sich Deborah Linebarger, eine Entwicklungspsychologin an der University of Pennsylvania, gegenüber der New York Times. Sie hat ihre eigenen vier Kinder in Untersuchungen über den Effekt von Medien auf Kinder eingebunden.

Sohn drei Jahre lang videoüberwacht

Ein anderer MIT-Forscher, Deb Roy, installierte elf Videokameras und vierzehn Mirkofone in seinem gesamten Haus. Damit zeichnete er 70 Prozent der wachen Stunden seines Sohns über die ersten drei Lebensjahre auf. Die angesammelten 250.000 Stunden Video sollen einer Sprachentwicklungsstudie namens "The Human Speechome Project" als Ausgangsmaterial liefern.

Robert M. Nelson, Leiter des Center for Research Integrity im Kinderspital von Philadelphia, sieht das Ganze skeptisch. "Die Eltern sollen das Kind beschützen. Sobald ein Elternteil das Kind untersucht, entsteht ein Interessenskonflikt." Die Eltern-Kind-Beziehung könnte darunter nachhaltig leiden.

Einige der Wissenschafter geben zu, Elternverfügungen für ihre Kinder selbst zu unterschreiben. Manche überlassen das dem Ehepartner. Viele weigern sich. Oft beginnen sich auch die Kinder selbst über die Prozeduren zu beschweren. Einige Experimente hinterlassen bei den Vorgesetzten der Forscher auch einen schalen Nachgeschmack. Leigh Firn, Vorsitzender des MIT Review Board, betrachtet das Projekt von Deb Roy zum Beispiel mit Skepsis. Das Kind werde nicht direkt beeinflusst, man müsse sich angesichts des Ausmaßes der Videoaufzeichnungen aber fragen, ob hier nicht die Privatsphäre massiv verletzt wurde. Allerdings nicht die vom Kind, sondern von Besuchern des Hauses.

Der Sohn von Pawan Sinha liegt daweil mit einer Webcam am Kopf in seinem Bettchen. Die Mutter des Kleinen - obwohl selbst Wissenschafterin - ist aber gegen die Experimente am eigenen Kind. Offenbar ist bei ihr der Schutzinstinkt noch ausgeprägt.

(Ag./Red.)

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