Wird Österreich ein Stammzell-Eldorado?

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In der Debatte über die Forschung an embryonalen Stammzellen bzw. deren gesetzliche Regelung dreht sich der Wind. Die Bioethikkommission will eine weitgehende Liberalisierung.

In der Debatte über die Forschung an embryonalen Stammzellen (ES) bzw. deren gesetzliche Regelung dreht sich der Wind, international – US-Präsident Obama hat gerade die restriktive Haltung seines Vorgängers Bush revidiert – wie in Österreich. „Ein zeitlicher Zusammenhang“ sei „nicht beabsichtigt“ gewesen, aber auch „nicht unwillkommen“, erklärte Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, als sie am Montag die jüngsten Empfehlungen des Gremiums präsentierte: Eine große Mehrheit – „17 von 25, darunter alle Frauen“ – hält ES-Forschung für „wissenschaftlich relevant, moralisch legitim und förderungwürdig“ und empfiehlt eine weitgehende Lockerung der Gesetze; fünf Kommissionsmitglieder wollten eine Verschärfung (sie waren auf dem Podium nicht vertreten, einer ihrer Vertreter, der Philosoph Günther Pöltner, kritisierte es aus dem Publikum heraus).

Damit haben sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission verkehrt: 2002 blockierte die Bundesregierung beinahe das ganze Forschungsförderungsprogramm der EU, weil auch für ES Gelder vorgesehen waren. Nun prescht man in Gegenrichtung vor: Die Kommission empfiehlt (a) die Nutzung „überzähliger Embryos“ aus In-vitro-Fertilisation (IVF, „Retortenbabys“), eine Freigabe für (b) „therapeutisches Klonen“ und (c) Mensch/Tier-Mischembryos („Zybriden“).

Rechtsunsicherheit hemmt Forschung

Und die Kommission will nicht nur liberale Gesetze, sondern auch und vor allem klare: „Die bestehende Rechtsunsicherheit brachte ein forschungshemmendes Klima“, erklärt Ulrich Körtner (Evangelische Theologie, Uni Wien). Allerdings wurde diese Rechtsunsicherheit teilweise in der Praxis behoben, als der Molekularbiologe Erwin Wagner (IMP) vor zwei Jahren als Erster – und bisher Einziger – in Österreich mit ES experimentierte. Das war nach der Gesetzeslage möglich, allerdings wurden die ES aus den USA importiert, unklar blieb, ob sie hierzulande auch hergestellt werden durften. (Nach dem Votum der Kommissionsminderheit sollen Herstellung und Import verboten werden.)

Nun sollen sie hergestellt werden dürfen. Dabei brächte die Quelle der „überzähligen Embryos“ eher geringe ethische Probleme: Diese Embryos fallen bei der IVF an, man produziert sie auf Vorrat, damit man mehrere Versuche hat; glückt der erste, werden die anderen Embryos zehn Jahre im Kühlschrank eingelagert, dann werden sie entsorgt.

Heikler wäre die geforderte explizite Freigabe – die derzeitige Gesetzeslage ist umstritten – des „therapeutischen Klonens“: Dabei werden Embryos eigens zur ES-Produktion hergestellt (und bei der ES-Entnahme zerstört). „Zybriden“ endlich sind bisher nur in Großbritannien erlaubt. Werden die Vorschläge Gesetz – die Kommission berät nur –, wäre das eine kleinere Revolution. Dann müssten sich nur noch die Forscher einstellen: Bisher ist niemand Wagners Beispiel gefolgt, und das weniger aus rechtlichen Gründen, sondern weil ES-Forschung viel Expertise benötigt – und viel Geld. jl

Stammzellen-Quellen

Embryonale Stammzellen (ES) sind Zellen, die sich in alle Zelltypen differenzieren können und deshalb große Hoffnungen als Transplantate wecken.

Gewonnen werden ES aus Embryos, die dabei zerstört werden. Diese Embryos sind entweder „überzählige“ von IVF („Retortenbabys“), oder sie werden eigens erzeugt („therapeutisches Klonen“). Um die Ethikprobleme zu umgehen, setzen manche auf Mensch/Tier-Mischungen („Zybriden“).

Als Alternative hofft man auf Verjüngung differenzierter Zellen zu „induzierten pluripotenten Stammzellen“ (ipS).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2009)

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