Staat greift bei Arbeit stärker zu

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Laut Planungen der Regierung sollen die Lohnsteuereinnahmen in den kommenden Jahren um fast 30 Prozent steigen. Die Steuer auf Arbeit wird damit zur wichtigsten Einnahmequelle der Republik.

Wien. Lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer dürften zurzeit mit etwas Neid nach Berlin blicken. Dort dreht sich die wichtigste innenpolitische Debatte bereits seit Wochen um die Abschaffung der kalten Progression. Darunter versteht man den Vorgang, dass Arbeitnehmer durch Gehaltserhöhungen in höhere Steuerprogressionsstufen fallen, weshalb ihnen – um die Inflation bereinigt – nachher oft sogar weniger in der Tasche bleibt. Für die Regierungen ist dies eine praktische, weil versteckte, jährliche Steuererhöhung. Dennoch wollen CDU und SPD die kalte Progression nun abschaffen und beispielsweise die Progressionsstufen künftig automatisch mit der Inflation anheben.

Anders die Situation in Wien. Hier wurde gestern, Donnerstag, zwar mit Pomp und Trara die Arbeit gefeiert und ihre Wichtigkeit für die Gesellschaft beschworen. Dass den Arbeitnehmern jedoch am Ende des Tages mehr in der Tasche bleibt (und die Arbeitgeber trotz horrender Arbeitskosten nicht mehr als Knauserer gebrandmarkt werden), steht nach wie vor nicht auf der politischen Agenda. Im Gegenteil: Hierzulande wird laut Planungen der Regierung der Anteil der Lohnsteuer am gesamten Steueraufkommen in den kommenden Jahren sogar überproportional ansteigen.

Belastung des Faktors Arbeit

So zeigt ein Blick in den „Strategiebericht“ zum aktuellen Finanzrahmen, dass das jährliche Lohnsteueraufkommen von 24,6 Milliarden Euro im Vorjahr bis 2018 auf 31,9 Milliarden Euro ansteigen soll. Dieser Anstieg um fast 30 Prozent fällt nicht nur deutlich stärker aus als der Anstieg über alle Steuern hinweg gerechnet (plus 19,4 Prozent) – es ist auch der stärkste Anstieg aller Steuerkategorien (siehe Grafik). Die Lohnsteuer wird dadurch auch bereits heuer die Umsatzsteuer als wichtigste Einnahmequelle der Republik ablösen. Im Jahr 2018 wird der Abstand zur größten Verbrauchssteuer dann bereits 3,3 Milliarden Euro pro Jahr betragen.

Hauptgrund für dieses rasante Wachstum des Lohnsteueraufkommens ist die eingangs erwähnte kalte Progression. Diese brachte dem Finanzminister allein im Vorjahr Mehreinnahmen in der Höhe von 2,24 Milliarden Euro gegenüber dem Aufkommen, wie die Innsbrucker Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsforschung erst jüngst errechnete. Sie verglich das reale Steueraufkommen mit jenem, wären die Progressionsstufen seit der letzten Steuerreform 2008 an die Inflation angepasst worden. Heuer dürften durch die schleichende Lohnerhöhung bereits 2,65 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse fließen. Laut Experten würde die Abschaffung der kalten Progression durch die Valorisierung der Stufen rund 500 Millionen Euro pro Jahr kosten.

Für die heimischen Arbeitnehmer wäre dies eine begrüßenswerte Entlastung, gehören sie doch zu den prozentuell am stärksten belasteten Lohnsteuerzahlern auf der Welt. So zeigte die OECD in ihrer jährlich durchgeführten Studie „Taxing Wages“ Mitte April, dass inzwischen nur Belgier und Deutsche mehr von ihrem Lohn an ihre Finanzminister abführen müssen als die Österreicher. Und bei Österreichs nördlichem Nachbarn könnte sich das Bild schon bald wandeln, wenn die Berliner Regierung ihre Pläne bezüglich der Abschaffung der kalten Progression wie geplant in den kommenden Monaten umsetzt.

Die OECD vergleicht dabei die Lohnkosten, die für den Arbeitgeber anfallen, mit dem Nettolohn, der dem Arbeitnehmer auf das Konto überwiesen wird. Denn nur diese zwei Zahlen haben für die beiden auch eine wirkliche Relevanz. Und demnach beträgt die Belastung von Löhnen laut OECD bereits bei einem durchschnittlichen Verdiener (Jahreslohnkosten von 41.693 Euro, entspricht einem monatlichem Bruttolohn von 2270 Euro) 49,1 Prozent. Von jedem Euro, den der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer zahlt, kommen bei diesem schlussendlich nur 50,9 Cent an.

Flat Tax von rund 50 Prozent

Grund dafür sind die Sozialversicherungsabgaben, die die anfangs noch geringeren Lohnsteuern negativ „ausgleichen“. Unter dem Strich ergibt sich somit das Bild einer Flat Tax auf hohem Niveau. Bereits bei Einkommen von nur der Hälfte des Durchschnitts beträgt die Abgabenlast rund 40 Prozent. Dieser Wert steigt dann sukzessive auf leicht über 50 Prozent an und verharrt dort.

Von der Regierung wird eine Steuerreform zurzeit als nicht finanzierbar zurückgewiesen. Gewerkschaft und Arbeiterkammer fordern sie zwar, wollen aber eine Gegenfinanzierung durch andere Steuern, etwa auf Vermögen. Eine Senkung der staatlichen Ausgaben steht nirgendwo zur Debatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2014)

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