Griechenland: Tsipras drohte mit Rücktritt

Alexis Tsipras hat eine spannende Abstimmung vor sich. Gewinnt er sie, könnte das auch seine Regierung sprengen.
Alexis Tsipras hat eine spannende Abstimmung vor sich. Gewinnt er sie, könnte das auch seine Regierung sprengen.(c) Bloomberg
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Mithilfe der Opposition hoffte Tsipras auf einen Erfolg im Parlament. Bei der Parlamentsdebatte glänzte er lange durch Abwesenheit.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras soll den Abgeordneten seiner Partei mit Rücktritt gedroht haben, wenn sie am späten Mittwochabend gegen das Sparprogramm stimmen. "Wenn ich eure Unterstützung nicht habe, dann wird es für mich schwierig sein, (auch) morgen Regierungschef zu bleiben", zitierten griechische Medien Tsipras. Verweigern der Regierung allzu viele Parteifreunde die Gefolgschaft, drohen aus Sicht von Beobachtern ein Koalitionsbruch und Neuwahlen.

Bei der hitzigen Parlamentsdebatte glänzte der Premier allerdings lange durch Abwesenheit. Zunächst überließ er  seinem neuen Finanzminister Euklid Tsakalotos die undankbare Aufgabe, das Sparprogramm, dem er am Montag in Brüssel widerwillig zugestimmt hat, vor den Abgeordneten zu verteidigen. Tsipras selbst hat die Debatte die meiste Zeit über in seinem Büro verfolgte, was ihm von vielen Seiten Kritik einbrachte. "Wo ist Tsipras, auf dem Weg Richtung Pluto?", wurde etwa auf dem Kurznachrichtendienst Twitter geätzt.

Doch dann sprach Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou - und forderte ihren Parteichef mit markigen Worten heraus. Sie warb offen dafür, das Sparprogramm abzulehnen, rebellierte also gegen ihren eigenen Parteichef. Da hielt es Tsipras nicht mehr in seinem Büro, und er trat doch noch vor die Abgeordneten: Das Ergebnis der Brüsseler Verhandlungen, erklärte Tsipras, sei nicht das, welches man sich gewünscht habe: "Ich bin stolz auf den Kampf, den wir in den vergangenen fünf Monaten geführt haben", sagt er. Zwar glaube er nicht an die meisten der Maßnahmen, denen er in Brüssel zugestimmt habe, aber es gebe die Pflicht sie umzusetzen. Die Alternativen wären ein ungeordneter Bankrott oder ein Ausscheiden aus der Währungsunion nach dem Plan des deutschen Finanzministers Schäuble gewesen.

Vize-Finanzministerin tritt zurück

Die griechische Vize-Finanzministerin Nadia Valavani hat in einem Brief an Premier Alexis Tsipras bereits ihren Rücktritt angekündigt. "Alexis, ich kann nicht mehr weitermachen", schrieb Valavani. Energieminister Panagiotis Lafazanis nannte die Sparauflagen zerstörerisch. Die Griechen hätten Syriza nicht gewählt, damit diese ein neues Sparprogramm durchsetze, sagt der Anführer der Linken Plattform der Regierungspartei. Er werde am Abend gegen das Programm stimmen, kündigte Lafanzanis an. Ihm dürften bis zu 40 Abgeordnete von Syriza Folge leisten.

Es wird aber allgemein damit gerechnet, dass es zahlreiche Abweichler unter den Abgeordneten der Regierungspartei Syriza geben wird. Die Billigung des Sparprogramms gilt dennoch als sicher, da die wichtigsten Oppositionsparteien für das Sparprogramm stimmen wollen.

Das Parlamentsvotum war für den späten Abend angsetzt. Das Sparprogramm umfasst vor allem höhere Mehrwertsteuern und Zusatzabgaben für Freiberufler sowie Besitzer von Luxusautos, Häusern und Jachten. Auch sollen Frühpensionen größtenteils abgeschafft werden.

Proteste auf den Straßen

Auch bei der Bevölkerung ist die Meinung nicht einhellig. In Griechenland haben am Mittwoch einige Tausend Menschen gegen die neuen Vereinbarungen mit den Gläubigern demonstriert. Apotheker und Beamte gingen im Zentrum der Hauptstadt Athen mit Spruchbändern wie "Kippt das Rettungspaket" oder "Nein zur Politik von EU, EZB und IWF" auf die Straße. Für den Tagesverlauf waren weitere Demonstrationen geplant.

Bisher allerdings hält sich der öffentliche Protest in Grenzen. Einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage zufolge sind mehr als 70 Prozent der Griechen dafür, dass das Parlament den Abmachungen zu einem dritten Rettungspaket zustimmt, das das Land vor dem Kollaps bewahren soll.

Von dem Parlamentsbeschluss hängt auch die Zwischenfinanzierung Athens für die kommenden Wochen ab. Bisher ist offen, wie die bis Mitte August benötigten rund zwölf Milliarden Euro aufgebracht werden sollen - zumal Athen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits im Zahlungsrückstand ist. Ohne zustimmendes Parlamentsvotum dürfte die Europäische Zentralbank auch ihre Notkredite für Griechenlands Banken nicht aufstocken, die laut dem Finanzministerium bis mindestens Donnerstag geschlossen bleiben werden. Außerdem muss Athen am Montag (20. Juli) 3,5 Milliarden Euro an die EZB zahlen.

Frankreich stimmt zu

Die französische Nationalversammlung hat den neuen Griechenland-Rettungsplan mit klarer Mehrheit gebilligt. Bei einer Abstimmung sprachen sich am Mittwoch 412 Abgeordnete für die Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket für Athen aus, lediglich 69 Abgeordnete stimmten dagegen.

In einer Reihe von Euroländern, darunter auch in Österreich, wird die Vereinbarung den nationalen Parlamenten vorgelegt. Der Nationalrat in Wien soll am Freitag über das Verhandlungsmandat abstimmen.

Im früheren Krisenland Spanien wird das Parlament erst Mitte August über die neuen Milliardenhilfen für Griechenland debattieren und abstimmen. Wie bei früheren Hilfsprogrammen im Rahmen des Euro-Rettungsschirmes ESM solle es im "Congreso" erneut nicht einfach eine Kommissions-, sondern eine Plenarabstimmung geben, auch wenn diese vom Gesetz im südeuropäischen Land nicht zwingend vorgeschrieben sei.

(APA/AFP/Red.)

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