Frommer Wunsch: Alpbach - die letzte wahlkampffreie Zone

Frommer Wunsch Alpbach letzte
Frommer Wunsch Alpbach letzte(c) APA/ROBERT PARIGGER (ROBERT PARIGGER)
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Technologiegespräche: Trotz aller Appelle von Forumspräsident Fischler wurde das Tiroler Denkerdorf zur Wahlkampfzone.

Alpbach. Vergleiche sind bei den Alpbacher Technologiegesprächen, die gestern, Donnerstag, eröffnet wurden und heuer zum 30.Mal stattfinden, offenbar „in“. „Bildung und Forschung haben in Österreich den entgegengesetzten Stellenwert wie Fußball“, sagte Bildungsexperte Bernd Schilcher. „Bei der Wissenschaft sind wir gut, wir lieben sie aber nicht; Fußball lieben wir, können es aber nicht.“

Auch Hannes Androsch, Vorsitzender des Forschungsrates, griff zu einem Vergleich: „Mit der österreichischen Forschung ist es wie mit einem Wasserglas: Es ist halb voll und halb leer.“ Er sehe wohl positive Entwicklungen – sowohl in der angewandten Forschung, etwa bei Österreichs größtem Forschungszentrum AIT, als auch bei Universitäten. „Die letzten fünf Jahre haben wir aber die Dynamik nicht halten können, die es davor gab und die notwendig ist, um die Ziele zu erreichen.“ In Zahlen: Bis 2008 sind die Forschungsausgaben jährlich um acht bis zehn Prozent gestiegen, seither verharren sie bei 2,8 Prozent des BIPs.

Der Wunsch des neuen Alpbach-Präsidenten Franz Fischler, dass das Tiroler Denkerdorf wahlkampffreie Zone sein solle, hat sich indes nicht erfüllt: Nicht nur, dass sich Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) und Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) bei der Eröffnungspressekonferenz ein kleines Scharmützel lieferten, wer denn nun der Forschungsminister sei und ob die Wissenschafts- und Forschungsagenden stärker gebündelt werden sollten. Beide zogen auch eine „Erfolgsbilanz“ und präsentierten Vorhaben für die nächsten Jahre. Bures will bis 2018 die Fördermittel für die angewandte Forschung um 340Mio. Euro aufstocken, Technologie-Start-ups stärker fördern, um rund 200 Mio. Euro zehn „Living labs“ zur praxisnahen Entwicklung von Technologien einrichten und die Bande mit der Industrie stärken – etwa um zehn Stiftungsprofessuren an den Unis einzurichten.

Töchterle nannte zwar keine Summe, sein Ziel ist es aber ebenfalls, die Mittel aufzustocken: zum einen für die Universitäten (konkret: für die Leistungsvereinbarungsperiode 2016–18), zum anderen für den Wissenschaftsfonds FWF. Zudem will er 10.000 neue Studienplätze an Fachhochschulen einrichten. Zum wiederholten Male verteidigte er den Ministerratsbeschluss der Vorwoche zur Schaffung der medizinischen Fakultät in Linz und betonte die gestellten Bedingungen (v.a. mehr Geld für alle Unis); tags zuvor hatten die Uni-Rektoren in Alpbach ihrem Grant über die Entscheidung freien Lauf gelassen (siehe Interview S. 9).

Nach der Pressekonferenz äußerten langjährige Alpbach-Insider – nach Fußball und Wassergläsern – noch einen dritten Vergleich. So wichtig die Punkte, die von den Ministern präsentiert worden seien, auch sein mögen: Die Herausforderungen, vor denen wir stünden, gingen weit darüber hinaus. Mittelfristig ist es Ziel der Bundesregierung, die Forschungsquote bis 2020 auf 3,76 Prozent zu erhöhen – das geht sich mit den präsentierten Plänen nicht aus.

Und längerfristig sind – wie in dem Buch „Österreich 2050“, das der Forschungsrat am Rand der Technologiegespräche präsentiert hat, verdeutlicht – noch viel größere Anstrengungen nötig. Die „Grand Challenges“ (Rohstoffverknappung, demografischer Wandel, Klimawandel etc.) seien nicht mit graduellen Veränderungen bewältigbar, sondern „nur durch einen tiefgreifenden Wandel“, betont Marion Weissenberger-Eibl (Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung). Sie ist eine von 22 Experten – neben z.B. Wifo-Chef Karl Aiginger, IHS-Chef Christian Keuschnigg, dem Politologen Anton Pelinka oder dem Demografen Wolfgang Lutz –, die Androsch um ihre Expertise gebeten hat.

In dem von „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak geleiteten Eröffnungsplenum der Technologiegespräche stand die Zukunft der Innovationen im Mittelpunkt. Diese seien durch das Internet bestimmt, das, wie US-Innovationsexperte Jeff Hoffman ausführte, „die Demokratie der Innovation“ sei. Denn in jedem Land der Erde könne man über Internet Harvard-Expertisen und andere wissenschaftliche Dienste abrufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2013)


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