Balkan: "Kein schwarzes Loch namens Bosnien"

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Ungeachtet des 15 Jahre währenden Friedens seit dem Dayton-Abkommen ist Bosnien immer noch politisch und wirtschaftlich blockiert. Das einstige industrielle Flaggschiff Jugoslawiens kommt nicht auf die Füße.

ALPBACH (som). Es war ein hochkarätig besetztes Podium, doch die Aufmerksamkeit der Kameramänner galt nur einem: Kroatiens Expremier Ivo Sanader. Doch wer sich Aufschluss über die möglichen Verstrickungen des Politikers in die Hypo-Affäre erwartete, wurde enttäuscht. Auf die Frage eines Journalisten, ob sich Sanader vor ein kroatisches Gericht stellen würde, sollte ein Haftbefehl gegen ihn erlassen werden, antwortete er ausweichend: „Als Ministerpräsident muss man mit allen großen Firmen reden.“

Thema der Gesprächsrunde, zu der außerdem der kosovarische Wirtschafts- und Finanzminister, Ahmet Shala, der Bosnien-Beauftragte der EU, Valentin Inzko, und Goran Radman, Dekan der Zagreber Vern-Universität, geladen waren, war aber sowieso ein anderes: die Lage in Bosnien-Herzegowina seit dem Vertragsschluss von Dayton im Jahr 1995.

Keine Flüge Sarajewo-Bukarest

Radmans Einschätzung nahm sich düster aus. Ungeachtet des nunmehr 15 Jahre währenden Friedens seit dem Vertragsschluss sei Bosnien „zumindest aus einer wirtschaftlichen Perspektive ein nicht wirklich funktionierender Staat. Das Land ist nicht fähig, Wohlstand für seine eigenen Bürger abzusichern.“ Das einstige industrielle Flaggschiff Jugoslawiens sei noch immer nicht auf die Füße gekommen, politische Blockaden hemmten Wirtschaftsreformen, auch die Handelswege seien wegen der vielen Grenzen in der Region noch immer nicht intakt. „Von Sarajewo nach Bukarest gibt es keine direkten Flüge. Man muss über Wien fliegen“, kritisierte Radman.

Ganz so schwarz wollte Inzko die Lage nicht sehen. Wobei auch er die politische Klasse rügte: „Das Bewusstsein der Eigenverantwortung fehlt noch.“ Dass an einer Integration in die EU kein Weg vorbeiführe, darüber waren sich die Diskutanten einig. „Wir wollen kein schwarzes Loch in Südosteuropa namens Bosnien“, sagte Inzko.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2010)


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