Unternehmensanleihen boomen

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Symbolbild(c) REUTERS (� Kai Pfaffenbach / Reuters)
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Niedrige Renditen bei Staatsanleihen und der Mangel an attraktiven Alternativen treiben die Nachfrage nach Unternehmensanleihen in die Höhe. In den kommenden Wochen könnten dennoch stürmische Zeiten bevorstehen.

Frankfurt/red./Reuters. Normalerweise ist der August ein ruhiger Monat. Aber diesmal haben Anleger mitten im Hochsommer ausnehmend beherzt bei Unternehmensanleihen zugegriffen: Europäische Firmen sammelten mit der Emission von Anleihen im laufenden Monat bisher über drei Mrd. Euro ein. Im Vergleichsmonat des Vorjahres waren es nicht einmal 200 Mio. Euro gewesen.

Einen ordentlichen Schub hat der Anleihenmarkt von der EZB bekommen, meinen Analysten. Deren Andeutung, dass sie bei einer Verschärfung der Krise zu stärkerem Engagement bereit sei, hat die Investitionsbereitschaft der Anleger deutlich stimuliert.

Anleger im „Notstand“

Beliebt sind Unternehmensanleihen jedoch nicht erst seit dem ausdrücklichen Bekenntnis des EZB-Chefs zum Euro. Schon seit Jahresanfang treibt der „Anlage-Notstand“ Investoren verstärkt in den Markt. Angesichts der Schuldenkrise seien Anleger verzweifelt auf der Suche nach Alternativen, die wenigstens noch ein bisschen Rendite bringen, sagt Jochen Korb, Bond-Analyst bei der LBBW.

Während die Verzinsung für zehnjährige deutsche Staatspapiere Ende Juli auf ein Rekordtief von 1,126 Prozent rutschte, bekommen Investoren zum Beispiel für 2017 auslaufende Papiere der Deutschen Telekom 4,7 Prozent. Im Schnitt liegt die Rendite für Anleihen mit Topbonität (fünfjährige Laufzeit) bei 2,1 Prozent.

Insgesamt ist das Emissionsvolumen in Deutschland laut einer Statistik der LBBW seit Jänner auf gut 130 Mrd. Euro angewachsen. Die Landesbank rechnet zum Jahresende mit Platzierungen von Euro-Anleihen in Höhe von 180 Mrd. Euro. 2011 waren es im gesamten Jahr nur gut 135 Mrd. Euro. Aus Sicht von LBBW-Analyst Korb sind die Wertpapier-Emissionen der Unternehmen allerdings mehr als nur ein Notnagel für renditehungrige Anleger: Die hohe Nachfrage sei auch fundamental gerechtfertigt, denn die meisten Firmen sind gut aufgestellt. Trotz leichter „Bremsspuren“ in den Quartalsbilanzen seien die Unternehmen nun doch besser für eine Rezession gerüstet, als sie es noch 2008/2009 waren.

In den kommenden Wochen könnten dem Bond-Markt dennoch stürmische Zeiten bevorstehen. „Es gibt einige Unsicherheitsfaktoren, die vor allem im Herbst auf uns zukommen“, warnt Matthias Kreie, Bond-Experte bei der NordLB.

Entscheidende EZB-Sitzung

Am 6. September kommt die EZB zu ihrer nächsten Ratssitzung zusammen. Anleger erhoffen sich dann genauere Informationen darüber, wie ein „Masterplan“ der Zentralbank aussehen könnte. Sechs Tage später entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darüber, ob der dauerhafte Rettungsschirm ESM überhaupt rechtmäßig ist.

Darüber hinaus wird der Bericht der Troika zu den Spar- und Reformfortschritten Griechenlands erwartet, von dem immerhin abhängt, ob Athen weitere Gelder bekommt.

Trotzdem zeigen sich viele Experten überzeugt, dass der Trend zu Unternehmenspapieren bis zum Jahresende anhält. Die Renditen der Bundesanleihen dürften aufgrund der hohen Unsicherheit kurzfristig nicht gerade nach oben schießen. Auch die Unternehmen sollten weiterhin großes Interesse daran haben, den Kapitalmarkt anzuzapfen. Schließlich können sie die Konditionen bestimmen und die Verzinsung drücken, weil ihnen die Papiere aus den Händen gerissen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2012)

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