IWF-Fehler: Risiko in Osteuropa stark übertrieben

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der IWF hat sich erheblich verrechnet und muss seine Osteuropa-Zahlen nun dramatisch korrigieren. Die finanzielle Stabilität der Region ist damit deutlich besser als bisher angenommen.


Wien. Ein ziemlich peinlicher Fehler ist dem Internationalen Währungsfonds (IWF) passiert: Er muss den Osteuropa-Teil seines im April erschienenen „Global Financial Stability Report 2009“ überarbeiten, weil darin die Verschuldungslage der osteuropäischen Staaten – wie es verschämt heißt – „übertrieben“ dargestellt worden ist. Schuld daran seien „Doppelzählungen und Eingabefehler“ gewesen, heißt es beim IWF. Die entsprechenden Tabellen sind aus der Internetversion des Reports bereits „vorübergehend entfernt“ worden, sie werden korrigiert.


Der Report ist für Österreich sehr unangenehm gewesen: Die heimischen Banken sind in Osteuropa weit überproportional engagiert, sie haben dort Kredite im Volumen von 200 bis 300 Milliarden Euro (je nachdem, ob man die in Auslandsbesitz stehenden Banken Bank Austria und Hypo Alpe-Adria dazuzählt oder nicht) „draußen“. Vor allem im angelsächsischen Raum ist mehrfach kolportiert worden, wegen des hohen Engagements in den schwerst verschuldeten osteuropäischen Ländern drohe Österreich der Staatsbankrott.


Jetzt stellt sich freilich heraus, dass die Überschuldung Osteuropas bei Weitem nicht so dramatisch wie vom IWF dargestellt ist. Und dass der Währungsfonds nicht ein bisschen, sondern katastrophal danebengelegen hat.


Korrekturbedürftig sind vor allem die ermittelten „external debt/reserves ratios“ der Ostländer, die das Verhältnis von Auslandsschulden zu Währungsreserven angeben und eine Art Überschuldungsmaß sind. Der IWF hat die korrigierten Werte noch nicht offiziell bekannt gegeben, nach Angaben der „Financial Times“ sind die Korrekturen aber dramatisch. Für die Tschechische Republik etwa hat der Währungsfonds diese Kennzahl mit 236 Prozent ermittelt. Was bedeutet, dass die Auslandsschulden zweieinhalbmal so groß wie die Währungsreserven wären. Jetzt wird diese Zahl auf 89 Prozent, also auf etwas mehr als ein Drittel des ursprünglichen Werts, herunterkorrigiert. Den Verschuldungsgrad von Estland hat der IWF jetzt von 210 auf 132 Prozent reduziert, jenen der Ukraine von 208 auf 116. Die krisenbedingten Refinanzierungserfordernisse der Ostländer sind also nicht halb so groß wie ursprünglich angenommen.


Beim IWF hieß es, man „bedaure“ die „Konfusion“, die die falschen Zahlen ausgelöst hätten, und arbeite jetzt daran, die internen Kontrollmechanismen zu verbessern. Man habe „die Lektion gelernt“.

Kein Einzelfall


Ausgelöst ist die Korrektur durch Proteste der Finanzminister und Notenbankchefs der betroffenen Länder worden. Die „Financial Times“ zitiert in diesem Zusammenhang den tschechischen Notenbankgouverneur Zdeněk Tůma mit den Worten, er sei „froh, dass der IWF jetzt einen detaillierten Blick auf die Angelegenheit wirft“.
Noch peinlicher für den IWF: Die falschen Osteuropa-Daten im Stabilitätsreport sind kein Einzelfall. Schon zuvor verärgerte der IWF die Briten, als er die Gesamtverluste britischer Banken mit 13,4 Prozent des BIP angab – statt mit den korrekten 9,1 Prozent.


Die Revision der Zahlen bedeutet, dass das Risiko Osteuropa bei Weitem nicht so groß ist, wie es bisher den Anschein hatte. Es ist allerdings noch groß genug: Selbst nach der Korrektur der IWF-Zahlen ist das Verhältnis der Außenschulden zu den Reserven in Osteuropa noch sehr hoch. Jedenfalls höher als in den Emerging Markets Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.


Der IWF hat diese Kennziffer für Osteuropa besonders hervorgehoben, um die Sorge um die finanzielle Stabilität dieser Länder auszudrücken. Durch die Krise kam es zu Kapitalabflüssen, die Währungen gerieten stark unter Druck, Staatsbankrotte standen im Raum. Das hätte nicht nur österreichische, sondern auch deutsche, italienische und schwedische Banken stark getroffen.

("Die Presse" Printausgabe vom 8. Mai 2009)

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