US-Wahl: Wetten auf Wahrscheinlichkeiten

Clay busts of U.S. presidential candidates Hillary Clinton and Donald Trump are seen at the Wax Museum in Madrid
Clay busts of U.S. presidential candidates Hillary Clinton and Donald Trump are seen at the Wax Museum in Madrid REUTERS
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Wären die US-Präsidentenwahlen ein Wunschkonzert, die Börsianer wüssten, was sie ordern. Weil das Ergebnis aber offen ist, verlegen sie sich aufs Wetten. Und zittern mehr als bei der Brexit-Abstimmung.

Die abgelaufene Woche brachte feiertagsbedingt zwar mehr Entspannung, dafür an den Börsen nur Kopfweh. An so gut wie allen Handelstagen blieben die Kurse in den USA und im Rest der Welt stark unter Druck. Österreichs ATX gab kurzzeitige Gewinne vom Donnerstag am Freitag in voller Länge wieder ab. Und der deutsche DAX fiel im Lauf der Woche deutlich unter die Marke von 10.300 Punkten und damit nahe an das Dreimonatstief von Anfang August.

Bemerkenswert ist, dass selbst die soliden Zahlen vom amerikanischen Arbeitsmarkt am Freitag bei den Händlern kaum eine Rolle spielten. Das Einzige, was im Moment interessiert, sind die US-Präsidentenwahlen am kommenden Dienstag. Viele haben noch den Schock nach dem überraschenden Votum der Briten für den EU-Austritt vor Augen. Viele fürchten daher auch jetzt, auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Das Rennen zwischen dem republikanischen Kandidaten, Donald Trump, und seiner demokratischen Kontrahentin, Hillary Clinton, wird knapp. Sollte Trump gewinnen, werden Abverkäufe befürchtet, da er als unberechenbar gilt. Clinton wird hingegen mit Kontinuität assoziiert. Am besten würde an den Börsen eine Präsidentin Clinton bei gleichzeitiger Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus ankommen, schreibt die Fondsgesellschaft Columbia Threadneedle Investments.

Aber Wahlen sind nun einmal kein Wunschkonzert. Und so sind die kommenden Tage für Händler ein Glücksspiel. Oder eine Wette auf Wahrscheinlichkeiten, wie sie von reichen Investoren in Asien und Europa abgeschlossen werden. Sie wetten auf Aktien, die steigen werden, falls ein bestimmter Kandidat die Wahlen gewinnt. Bei einem Unternehmen sind eigenen Angaben zufolge sogar über 80 Prozent der Kundengelder auf Clinton gesetzt worden. Die Wetten kommen in Form von Anleihen, deren Entwicklung an eine Gruppe von Aktien gebunden ist. So verkauft etwa die Schweizer Bank Vontobel Holding AG strukturierte Papiere, die im Zusammenhang mit Aktien stehen, die bei einem Sieg von Trump gut abschneiden sollten, sowie ähnliche Bonds, die von einem Gewinn Clintons profitieren dürften. Leonteq AG, ein Schweizer Anbieter von strukturierten Produkten, hat starkes Interesse an ganz ähnlichen Papieren in Singapur beobachtet, sagt Frank Troise, Chef für den digitalen Vertrieb in dem asiatischen Stadtstaat. Mehr als vier Fünftel der Papiere, die die Firma abgesetzt hat, wetten darauf, dass Clinton die nächste US-Präsidentin wird.

Sowohl die Clinton- als auch die Trump-Papiere tendieren zu einem Engagement bei Infrastrukturunternehmen wie Caterpillar Inc. Denn beide Kandidaten hatten stärkere Investitionen in die Infrastruktur versprochen.

Ein Clinton-Sieg könnte hingegen zum Segen für Krankenhausbetreiber wie HCA Holdings Inc. werden, da sie von einer Fortsetzung der Zuschüsse im Rahmen des Affordable Care Act profitieren dürften, heißt es in einer Analyse der Credit Suisse Group. So findet sich HCA auch im Clinton-Papier von Vontobel wieder, dazu der Logistiker United Parcel Service Inc. (UPS). Dahinter steht die Wette, dass der Konzern profitieren dürfte, weil Clinton als größere Unterstützerin des Handels gilt als ihr Gegner.

Vontobels Trump-Zertifikate sind indes gebunden an US-Banken wie JP Morgan Chase & Co. und Citigroup sowie an Militärauftragnehmer wie Boeing Co. und Honeywell International. Trump hat beiden Branchen eine ihnen freundliche Politik versprochen.

Zwar waren an Aktien gebundene Papiere am begehrtesten, doch Investoren haben auch Titel, die mit Devisen verbunden sind, gekauft, berichtet Troise von Leonteq: „Das Gefühl ist, dass der Dollar bei einem Clinton-Sieg stärker sein wird.“ (bloomberg/est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2016)

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