Wiener Börse verliert ihre älteste Aktie

Der Börse Wien kommt eine Aktie abhanden
Der Börse Wien kommt eine Aktie abhandenAPA (ROLAND SCHLAGER)
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Das steirische Unternehmen Austria Email zieht sich von der Wiener Börse zurück. Kleinanlegern werden 10 Euro je Aktie geboten.

Der Kurszettel der Wiener Börse ist schon lange nicht mehr angereichert worden, im Gegenteil: Er wird immer kürzer. Das liegt zum einen daran, dass Aktien börsenotierter Unternehmen nach Übernahmen oder Fusionen abhanden kommen (wie es Conwert passieren wird), zum anderen ziehen es Firmen vor, den Börseplatz zu wechseln wie Motorradhersteller KTM, den es nach nach Zürich zieht, oder Feuerfesthersteller RHI, der von London träumt.

Nun soll auch der steirische Warmwasserspeicher-und Spezialboilerhersteller Austria Email von der Wiener Börse genommen werden. Der Hauptaktionär, der französische Boilerhersteller Atlantic, hat den Antrag auf die Zurückziehung der Aktien aus dem Dritten Markt vorgeschlagen, teilte Austria Email am Mittwoch mit.

Den Streubesitzaktionären werde ein freiwilliges Angebot zum Erwerb der von ihnen gehaltenen Aktien von 10 Euro pro Aktie gemacht. An der Wiener Börse notierte die kaum gehandlete Austria-Email-Aktie am Dienstag mit 8,10 Euro. Der Börsewert des Unternehmens betrug demnach 35 Millionen Euro.

Atlantic Societe Francaise de Developpement Thermique, die 65 Prozent der Stimmen hält, habe weiters den Antrag auf die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung gestellt sowie die Änderung der Satzung infolge Umstellung von Inhaberaktien auf Namensaktien vorgeschlagen. Die außerordentliche Hauptversammlung werde am 16. Dezember stattfinden.

Die Börsennotierung sei für die Austria Email AG durch die Einhaltung von Berichtspflichten und börserechtlichen Formerfordernissen mit einem erheblichen administrativen und finanziellen Arbeitsaufwand verbunden, heißt es in der Mitteilung weiter. "Die Aufrechterhaltung der Einbeziehung der Aktien der Austria Email AG in den Dritten Markt der Wiener Börse erscheint angesichts der vorgenannten Umstände nicht mehr nutzbringend."

Wechselhafte Geschichte

Das Unternehmen  wurde 1855 als "k.k. privilegierte österreichische Staats-Eisenbahn-Gesellschaft" für die Errichtung der Eisenbahnlinien der österreichisch-ungarischen Monarchie gegründet und notiert seither an der Börse. Nach dem Zerfall der Monarchie verblieb nur der österreichische Industriebesitz, eine Maschinenfabrik  in Wien, in der Lokomotiven erzeugt werden. 1937 wurden die Emaillierwerke und Metallwarenfabriken Austria des ehemals grössten Emaillierwerks der Monarchie mit dem 1874 gegründeten Werk in Knittelfeld übernomen. Dieses wurde 1945 durch Bombenangriffe vollständig zerstört.

1968 wurde die Produktion auf Emailgeschirr, Warmwasseraufbereitung und Kommunalerzeugnisse wie Müllbehälter und Strassenleuchten ausgerichtet. Das Werk in Wien Simmering wurde zugesperrt. 1979 wurde auch das Werk in Wien Ottakring aufgegeben. In Knittelfeld gingt es aufwärts, dank der Übernahme eine Elin-Tochter. Heute ist Austria Email einer der führenden europäsischen Hersteller von hochwertigen Warmwasserbereitern und einziger Speicherhersteller mit eigener Entwicklung und Fertigung von zukunftsweisenden Vlies-Isolierungen für Groß- und Pufferspeicher. Das Unternehmen beschäftigt 350 Mitarbeiter und setzt 65 Millionen Euro um.

"Sehr gute realwirtschaftsliche Anlage"

Der angekündigte Rückzug von Austria Email von der Wiener Börse "ist eine Entscheidung, die von Eigentümern und Vorstand getragen wird", sagte Vorstand Martin Hagleitner am Mittwoch zur APA. Durch die im Sommer in Kraft getretenen neuen Regularien mit verschärften Berichts- und Ad-hoc-Meldepflichten würde ein nicht mehr vertretbarer administrativer und Kostenaufwand entstehen, so Hagleitner.

"Wir sind ein schlank aufgestelltes Unternehmen und können gar nicht anders", sagte Hagleitner. "Wir fertigen in Österreich für bis zu 16 Exportmärkte und haben neben den energieeffizienten Premium-Produkten auch Commodity-Produkte, wo ein rigoroser Preiswettbewerb herrscht." Die höheren Kosten würden "in keinem Verhältnis stehen zum Nutzen", nämlich dem Marketing-Effekt, das älteste börsenotierte Unternehmen in Österreich zu sein.

Für die Kapitalbeschaffung brauche man die Börsennotierung nicht. "Wir haben das Unternehmen mittlerweile seit zwei Jahren netto bankschuldenfrei gestellt. Wir haben ein gestiegenes Eigenkapital und eine langfristig ausgerichtete Kernaktionärsstruktur und damit sowohl Innenfinanzierung als auch über die Kernaktionäre Finanzierungsquellen und nicht mehr die Notwendigkeit, über die Börse Kapital zu beschaffen.

Mehrheitseigentümer von Austria Email ist die französische Atlantic Societe Francaise de Developpement Thermique, die rund 65 Prozent der Anteile hält. Die Treibacher Industrieholding als österreichischer Kernaktionär besitzt 26 Prozent, der Rest ist im Streubesitz.

"Natürlich ist es auch ein Abschied, keine Frage, dass die Austria Email als älteste börsenotierte Firma die Börse Wien nach 161 Jahren verlässt", sagte Hagleitner. "Aber dieser Rückzug von der Börse hat nichts zu tun mit dem Bekenntnis zum Produktionsstandort und zu den Märkten in Österreich. Im Gegenteil, wir werden im Jahr 2017 mehr in den Standort investieren als in den Vorjahren." Über die Zugehörigkeit zur Groupe Atlantic habe man außerdem aus französischen Werken die Produktion von 3.000 Sonderspeichern nach Knittelfeld transferiert. Zusätzlich habe man in Knittelfeld die Kompetenz für Sonderfertigungen für den gesamten Konzern übernommen.

"Die Aktie wird es nicht mehr geben, aber wir haben eine sehr gute realwirtschaftliche Anlage", rührt Hagleitner die Werbetrommel für die steirischen Warmwasserspeicher. "Eine Installation unserer Produkte ist eine sehr gute Wertanlage - garantiert, heimisch, sehr gute Verzinsung und noch dazu in den eigenen vier Wänden."

(Red./APA)

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