Mit einem Aufruf an die Bürger will Ankara den Verfall der Lira durch den Umtausch von Devisen stoppen. Ökonomen sind skeptisch.
Wer dieser Tage in der Türkei seine ausländischen Währungsreserven in türkische Lira umtauscht, der kann gratis eine Hochzeitsfeier, ein Essen oder einen Brotlaib bekommen. Sogar ein Grabstein lockt - wenn Grabsteine denn eine Verlockung sind. Mit diesen Anreizen wollen patriotische Geschäftsleute ihre Kunden dazu bringen, dem Aufruf des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu folgen, den zuletzt besorgniserregenden Verfall der Landeswährung durch den Umtausch ihrer Dollar- und Euro-Reserven in Lira aufzuhalten.
So bietet der Istanbuler Bäcker Gökhan Kuk ein kostenloses Brot für jeden an, der ihm den Beleg über den Umtausch von mindestens 250 Dollar (233 Euro) vorweist. "Mit der Hilfe Gottes werden wir die Lira anheben und den Dollar vernichten", sagt der Bäcker. Sein einziges Interesse sei es, sein Land zu unterstützen, wie der Präsident gebeten habe", sagt Kuk in seinem Büro, das mit mehreren Bildern Erdogans dekoriert ist.
Auch Börse tauscht Währungsreserven ein
Wenige Geschäfte weiter bietet Bülent Baydeniz ein kostenloses Mahl für jeden, der 250 Dollar umgetauscht hat. "Nachdem ich den Präsidenten der Republik gehört habe, verstand ich, dass dies dem Land helfen könnte", sagt der Verkäufer von Fleischpasteten. Im südtürkischen Gaziantep bietet ein örtlicher Geschäftsmann sogar eine kostenlose Hochzeit beim Umtausch von 10.000 Dollar.
Die Bewegung beschränkt sich aber nicht auf kleine Geschäftsleute. Auch die Istanbuler Börse kündigte auf Erdogans Aufruf hin an, ihre ausländischen Währungsreserven in Lira umzutauschen. Die Religionsbehörde erklärte ihrerseits, dass Muslime künftig auf der islamischen Pilgerfahrt Hadsch nach Mekka statt in Dollar in Lira zahlen würden. Ein Regierungsfonds zur Unterstützung der Rüstungsindustrie tauschte ebenfalls im großen Stil Devisen um.
In sozialen Medien wird unter dem Hashtag #doviziniturkiyeicinboz (Tausch deine ausländische Währung für die Türkei) für die Kampagne geworben. Hintergrund von Erdogans Aufruf ist der massive Absturz der Lira gegenüber Dollar und Euro in den vergangenen Monaten: Wurden zu Beginn des Jahres lediglich 2,9 Lira für einen Dollar fällig, waren es Anfang Dezember bereits mehr als 3,5 Lira.
Ökonom skeptisch
Der Präsident hat ungenannte Kräfte für den Verfall der Währung verantwortlich gemacht und die Verteidigung der wirtschaftlichen Stabilität zu einem nationalen Kampf erhoben - ähnlich wie den Kampf gegen die Putschisten vom 15. Juli.
Zwar stieg der Wert der Lira am Mittwoch auf 3,42 Lira zum Dollar, doch zeigte sich Ökonom Atilla Yesilada skeptisch, dass die aktuelle Kampagne längerfristigen Einfluss auf den Wechselkurs hat. "Das Problem ist, dass Erdogans Wähler meist aus den unteren Einkommensschichten stammen" und damit kein großes Vermögen zum Umtauschen haben, sagt der Analyst. Da reiche Türken eher zusehen würden, dass sie ihr Geld ins sichere Ausland bringen, werde die Kampagne "keine riesigen Auswirkungen auf unsere Zahlungsbilanz oder den Wert der Währung haben".
(APA/AFP)