Hilfe, Kursplus! Zalando und seine Zweifler

  • Drucken

Der größte Online-Modehändler Europas macht vieles richtig. Doch da die Aktie gut gelaufen ist, zittern die Anleger.

Wien. Man könnte daraus einen dieser Weltanschauungstests machen, die in sozialen Medien kursieren: „Sind Sie der Zalando-Anleger oder der Rocket-Internet-Typ?“ Beide Unternehmen gingen im Herbst 2014 mit nur einem Tag Abstand an die Börse. Seitdem hat der Inkubator Rocket Internet die Hälfte seines Wertes vernichtet, die einstige Tochter Zalando verzeichnet hingegen als inzwischen größter Online-Modehändler Europas 90 Prozent Kursgewinn. Und sie lockt weiter mit Perspektiven. Verblüffend, wie fest die meisten Analysten derzeit dennoch zu Rocket halten, während bei Zalando der Kurszuwachs Skeptiker auf den Plan ruft.

Das Credo bei Rocket ist irgendwo zwischen einem glücksritterlichen „Viel tiefer geht's nicht mehr“ und einem hoffnungsbeladenen „Vielleicht verkauft Rocket ja bald wieder eine Tochter über die Börse“ angesiedelt. Reale Gewinne sucht man jedoch in bester Dotcom-Manier vergebens.

Das Kontrastprogramm läuft bei Zalando, das in letzter Zeit ausschließlich Ergebnisse und Aussichten mit Niveau liefert. In den ersten drei Quartalen 2016 legte der Gewinn je Aktie von 0,07 auf 0,24 Euro zu. Das Umsatzwachstum für die nächsten Jahre wird mit plus 20 bis 25 Prozent p.a. angesetzt.

Im Unterschied zu anderen hoffnungsvollen, aber investitionsbelasteten Wachstumswerten kann Zalando mit seinen Margen werben: Die Profitabilität hat sich trotz des aggressiven Wachstumskurses verbessert, und die Erwartung für die bereinigte Ebit-Marge wurde zuletzt von vier bis 5,5 Prozent auf fünf bis sechs Prozent für 2016 hochgeschraubt. Dennoch gibt es Zweifel: Die UBS etwa warnte kürzlich, Amazon werde als Konkurrent unterschätzt, und empfiehlt einen Verkauf der Zalando-Aktie.

Vorbehalt trotz Potenzials

Und immer wieder sieht man in dem Papier Kursrücksetzer, weil bei signifikanten Kursmarken größere Positionen abgestoßen werden, „um Gewinne ins Trockene zu bringen“, wie es so schön – aber vielleicht nicht folgerichtig – heißt: Erfüllen sich die Wachstumsversprechen, wird man mit voreiligem Misstrauen Gewinne liegen lassen.

Bei 25 Prozent Umsatzplus ergibt sich Berechnungen zufolge ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von rund 2,4. Nicht übertrieben mit Blick auf die zu unterstellende Solidität der Prognosen. Im Unterschied zu Rocket Internet, das mit Beteiligungen wie dem Kochboxenversand Hello Fresh einmal Kasse machen will (ein Börsengang ist gescheitert), ist Zalando ein Basisinvestment in den substanzhaltigen Online-Modemarkt. Mode hat sich in vielen EU-Ländern zur führenden Online-Produktkategorie entwickelt. Doch selbst auf fortgeschrittenen Internetmärkten machen digitale Fashion-Umsätze erst bis zu zehn Prozent des Modemarkts aus. Wachstum ist also programmiert: Für Deutschland etwa wird bis 2025 ein Anteil von rund einem Drittel erwartet.

Es ist fraglich, ob Amazon Zalando hier das Wasser abgraben kann. Amazon wird laut Umfragen kaum mit Kleidung verbunden. Stil kauft man vom Experten. Amazon ist erst jüngst in das immer bedeutendere Geschäft mit eigenen Marken eingestiegen, in dem Zalando schon lang kreativ werkt. Bei dem Unternehmen handelt es sich um eine Aktie hoher Güte, die einfach nur im Kleid der skepsisbelasteten IT-Branche daherkommt.

AUF EINEN BLICK

Der deutsche Online-ModeversandhändlerZalando wurde im Jahr 2008 gegründet und ist mittlerweile zum europäischen Branchenprimus avanciert. Im Jahr 2014 ging das Unternehmen an die Börse, Anleger konnten seither einen Kursgewinn von 90 Prozent erzielen. In den ersten drei Quartalen 2016 legte der Gewinn je Aktie von 0,07 auf 0,24 Euro zu. Das Umsatzwachstum für die nächsten Jahre wird mit plus 20 bis 25 Prozent p.a. angesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.