Deutsche Bundesbank sorgt sich um die Zinswende

Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank.
Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank.(c) REUTERS (AXEL SCHMIDT)
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Die Inflation soll weiter anziehen und bald die Marke von einem Prozent durchbrechen. Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank, warnt jetzt schon: Die Zinsschritte nach oben dürfen nicht hinausgezögert werden.

Frankfurt/Wien. Sie war die Gralshüterin der deutschen Hartwährungspolitik und ist heute eine mahnende Stimme im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Rede ist natürlich von der Deutschen Bundesbank. Deren Chef, Jens Weidmann, warnte am Donnerstag vor der Gefahr einer verspäteten Zinswende in Europa.

„Meine Sorge ist, dass im Falle unsolider Fiskalpolitik die Geldpolitik unter Druck geraten kann, auf eine Zinsanhebung zu verzichten, obwohl eine Straffung geldpolitisch angezeigt wäre“, sagte er der „WirtschaftsWoche“. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Notenbanken würden für die Politik in die Bresche springen, oder die Geldpolitik würde sich an Wahlergebnissen ausrichten.

Um die Konjunktur zu stützen und die Inflation anzutreiben, pumpt die EZB bereits seit März 2015 über den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren Monat für Monat Milliarden in das Bankensystem. Unlängst verlängerte sie das in Deutschland umstrittene Programm um neun Monate bis Ende Dezember 2017, wodurch das Gesamtvolumen der Käufe bis Laufzeitende auf 2,28 Billionen Euro anschwillt. Einem Pressebericht zufolge stimmte Weidmann nicht zu.

Inflation steigt in Eurozone

Jetzt macht sich der Bundesbank-Chef offenbar Sorgen, die Zinsen könnten zu lange zu niedrig bleiben – quasi als Gefallen für die Politik. Die anziehende Teuerung könnte einen Zinsschritt bereits früher sinnvoll erscheinen lassen als bisher geplant. Der Preisauftrieb in der Eurozone wird nach Einschätzung der EZB im neuen Jahr stärker in Gang kommen. „Die Gesamtinflation dürfte zum Jahreswechsel weiter anziehen – auf über ein Prozent“, heißt es in dem am Donnerstag vorgelegten Wirtschaftsbericht der Europäischen Zentralbank (EZB). Dies beruhe weitgehend darauf, dass bei der Berechnung der Jahres-Teuerung die dämpfenden Effekte des niedrigen Ölpreises nun auslaufen. Die Währungshüter erwarten, dass die Inflationsraten in den kommenden Jahren weiter steigen.

Die Experten der EZB veranschlagen in ihren jüngsten Prognosen für 2019 einen Wert von 1,7 Prozent. Damit würde die EZB aber weiter ihr Ziel einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent verfehlen, das sie als ideal für die Wirtschaftsentwicklung ansieht. Im November lag die Teuerung im Währungsraum bei nur 0,6 Prozent.

Dass die anziehende Inflation direkt zu einem Zinsschritt führt, scheint aber nicht sicher: Jüngst hatte sich EZB-Chefvolkswirt Peter Praet enttäuscht über die Effekte der Wertpapierkäufe auf die Inflation geäußert.

Keine politische Union

In der Debatte um die zukünftige Ausrichtung der EU untermauerte Jens Weidmann zuletzt erneut die Position der Bundesbank, derzufolge eine politische und fiskalpolitische Union auf absehbare Zeit nicht realistisch erscheine. Die Budgethoheit werde bei den Nationalstaaten verbleiben. Man müsse deshalb auf Mechanismen setzen, die das Finanzgebaren der Staaten unter Kontrolle halten würden.

„Ich bin davon überzeugt, dass es weder den Ländern, noch den Menschen oder dem europäischen Projekt helfen würde, den Mitgliedstaaten die Verantwortung für nationale Politik zu entziehen. Die Stärkung der individuellen Verantwortung scheint mir der bessere Zugang“, so Bundesbank-Chef Weidmann. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2016)

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