Auf der Suche nach unterbewerteten Sektoren

B�rse in Tokio startet ins neue Jahr An electronic stock board displays the first session of the yea
B�rse in Tokio startet ins neue Jahr An electronic stock board displays the first session of the yea(c) imago/AFLO (imago stock&people)
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Experten warnen vor hohen Börsenbewertungen. Alternative Indizes bieten einen Ausweg, der aber seine Tücken hat.

Wien.Einen veritablen Crash zu prophezeien, haben in den vergangenen Jahrzehnten schon unzählige Börsengurus versucht. Auch jetzt warnen Experten vor hohen Bewertungen. „Der S&P 500 kennt seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten kein Halten mehr und eilt von Rekord zu Rekord“, meint etwa Jewgeni Ponomarev von der HSBC. Die Bewertungen hätten inzwischen besorgniserregende Niveaus erreicht.

Prognosemodelle dafür gibt es genug. Während manche Experten fundamentale Unternehmensbilanzen filetieren, orientieren sich andere an technischen Kennzahlen. Ein Indikator, der ein wenig aus beiden Welten einfließen lässt, ist das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis; es setzt den aktuellen Börsenkurs in Relation zum Gewinn je Aktie). Hier werden sowohl eine Börsenkennzahl als auch fundamentale Unternehmensdaten herangezogen, um daraus abzuleiten, ob die Aktie im Vergleich zur Vergangenheit – oder zu Konkurrenten – besonders teuer oder günstig ist.

Allerdings hat der Ansatz seine Schwachstellen. Bei den Unternehmensgewinnen aus sehr zyklischen Industrien kann es starke Ausreißer geben, etwa am Ölsektor je nach Ölpreis. Damit ist das KGV weniger aussagekräftig. Auch ziehen manche Analysten die historischen Gewinne heran, andere wollen anhand von Zukunftsschätzungen vergleichen.

Ein Beispiel für ein solches Modell ist das Shiller-KGV oder Shiller-Cape – Cape steht für Cyclical Adjusted Price Earnings. Das KGV wird hier auf Basis der durchschnittlichen Gewinne der vergangenen zehn Jahre berechnet. „Die Gewinne werden dabei um die Inflation bereinigt“, sagt Jakob Frauenschuh, Aktienanalyst bei der Schoellerbank. So sollen konjunkturzyklische Effekte möglichst ausgeblendet werden.

Regelmäßiger Wechsel

Die Kennzahl wurde in den 1980er-Jahren vom US-Professor Robert Shiller zusammen mit seinem Doktoranden John Campbell entwickelt. Vor ein paar Jahren wurde gemeinsam mit der britischen Barclays Bank die Shiller Barclays Cape Index Familie ins Leben gerufen. Bei den einzelnen Indizes – etwa beim S&P 500 oder dem MSCI Europe – wird monatlich überprüft, welche vier Sektoren laut Shiller-KGV am stärksten unterbewertet sind und welche Aktienkurse zudem ein besonders hohes Momentum in den vergangenen zwölf Monaten aufgewiesen haben. Diese vier Sektoren werden mit gleicher Gewichtung in den Index hereingenommen. Somit findet laufend eine Rotation bzw. Überprüfung statt.

Anlegern bietet die Strategie die Möglichkeit, sich um den richtigen Verkaufszeitpunkt von Aktien nicht selbst kümmern zu müssen. Zudem setzt das Modell auf einen ruhigeren Zugang bei der Aktienbewertung, da ein langfristiger Durchschnitt herangezogen wird. Das Modell habe aber auch Schwächen, erklärt Frauenschuh. So liegt beim S&P 500 der historische Durchschnitt des Shiller-KGV bei 17. „Hätte man immer nur dann investiert, wenn die aktuelle Zahl darunter liegt, wäre man bereits 1991 ausgestiegen und seither nur Ende 2008 für ein paar Monate investiert gewesen.“ Unklar sei auch, was mit dem Index passiert, wenn alle Sektoren gleich teuer sind. Dann könnte eine Rotation in die günstigsten Branchen herausfordernd werden.

(c) Die Presse

Für interessierte Anleger hält sich die Produktauswahl zudem noch in Grenzen. Der französische ETF-Anbieter Ossiam hat zwei börsengehandelte Passivfonds für Europa und die USA lanciert, auf den US-Markt hat Barclays ein Zertifikat begeben. Im Gegensatz zu ETFs zählt das Anlegergeld bei Zertifikaten nicht zum Sondervermögen – im Fall einer Emittentenpleite kann es weg sein. Dafür sind die jährlichen Gebühren günstiger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2017)

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