Snapchat will an der Börse kassieren

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FILES-BRITAIN-US-TECHNOLOGY-INTERNET-BUSINESS-SNAPCHAT(c) APA/AFP/LIONEL BONAVENTURE
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Der Börsegang der Foto-App soll mindestens drei Mrd. Dollar bringen, birgt jedoch viele Risken – vor allem für Investoren. Die Firmengründer festigen indes ihre Macht.

Los Angeles. Die Bilder verschwinden schon nach wenigen Sekunden. Sie zerstören sich selbst, nachdem sie via App verschickt worden sind. Das sollte mit der Aktie von Snapchat nicht passieren, hoffen die Gründer Evan Spiegel und Robert Murphy, die jetzt den Prospekt für den Börsegang in New York eingereicht haben.

Das IPO (Initial Public Offering) soll zumindest drei Mrd. Dollar (2,8 Mrd. Euro) einbringen, kündigte die Snap Inc., die hinter der populären Foto-App steht, an. Dabei könnte es aber um einen Platzhalterbetrag gehen, der später noch verändert wird. Früheren Medienberichten zufolge peilte Snapchat einen Börsenwert von 25 Mrd. Dollar an. Zum Vergleich: So viel ist jetzt die schwer gebeutelte Deutsche Bank an der Börse wert.

Aber nicht nur diese Zahl nährt Sorgen, dass sich auf dem Tech-Markt eine neue Spekulationsblase bilden könnte. Da sind noch andere Details aus dem Börseprospekt: Snapchat hatte im Schlussquartal 2016 durchschnittlich 158 Millionen Nutzer pro Tag. Das ist im Jahresvergleich ein Plus von 48 Prozent. Doch gegenüber dem dritten Quartal gab es nur noch ein Wachstum von fünf Millionen. Die USA sind der wichtigste Markt mit 68 Millionen täglichen Nutzern, Europa folgt mit 52 Millionen.

Der Umsatz sprang von 58,6 auf beeindruckende 404,5 Mio. Dollar. Noch imposanter ist freilich der Verlust, der sich von 373 auf 514,6 Mio. Dollar ausweitete.

Mehr Verlust als Umsatz

Verlust größer als Umsatz: Nicht nur dieser Vergleich löst in Finanzkreisen Stirnrunzeln aus. Zumal im Prospekt davor gewarnt wird, dass das Unternehmen möglicherweise „nie Gewinn erwirtschaften wird“. Ein Blick zurück: Facebook verdiente ein Jahr vor dem Börsegang im Jahr 2011 bereits rund eine Mrd. Dollar. Twitter wiederum, der letzte Betreiber eines sozialen Netzwerks, der in New York an die Börse ging (November 2013), machte im Jahr vor dem Listing 79 Mio. Dollar Verlust.

Das Geld kommt bei der „Camera Company“, wie sich Snap selbst gern bezeichnet, also vor allem über die Werbung herein. Inzwischen wird die App auch stärker zu einer Plattform für Medieninhalte ausgebaut. Und Snapchat brachte eine Kamerabrille heraus, deren Vertrieb in diesem Jahr dem Börsenprospekt zufolge stark ausgebaut werden soll. Bisher wurde sie nur in kleinen Mengen vor allem aus wenigen Automaten mit wechselnden Standorten verkauft.

Apropos Facebook: Drei Mrd. Dollar wollte einst Mark Zuckerberg für Snapchat hinblättern, er wurde jedoch abgewiesen. Jetzt ist seine Fotoplattform Instagram mit bereits 600 Millionen Nutzern pro Monat die größte Konkurrenz und Gefahr. Denn beide Anbieter buhlen um junge Smartphone-User.

Snapchat braucht also dringend das frische Geld von der Börse, wobei allerdings Spiegel und Murphy, die jetzt je 22 Prozent der Anteile und 44,3 Prozent der Stimmrechte besitzen, am meisten profitieren. Beide behalten auch das Sagen, keine Entscheidung geht ohne sie. Spiegel soll zudem als „Motivation, das weitere Wachstum voranzutreiben“, zusätzlich drei Prozent erhalten, schreibt die „Zeit online“.

Was auch risikofreudige Investoren stutzig machen könnte, ist der Umstand, dass Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden. Das ist äußerst ungewöhnlich. „Uns ist kein Unternehmen bekannt, das einen Börsegang mit stimmrechtslosen Aktien an einer US-Börse durchgeführt hat. Deshalb können wir nicht vorhersagen, wie sich die Kapitalstruktur oder die Machtkonzentration bei den Gründern auf Aktienkurs und Geschäft auswirken wird“, heißt es dazu im Prospekt. Dem ist nichts hinzuzufügen. (eid/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2017)

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