Russische Großbank sagt Wien ade

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Russlands zweitgrößte Bank, VTB, will das Europageschäft in Frankfurt bündeln. Branchenprimus Sberbank überlegt einen ähnlichen Schritt. Schuld ist die EZB.

Wien. Schon vor Monaten hatte Andrej Kostin, Chef der zweitgrößten russischen Bank VTB, angedeutet, das Headquarter seiner Europa-Tochter von Wien nach Frankfurt verlegen und auch das Frankreichgeschäft dorthin übertragen zu wollen. Nun beteuerte er gegenüber der „Financial Times“ sein Vorhaben und begründete diesen Restrukturierungsschritt mit dem Wunsch, von der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht mehr als „systemrelevant“ eingestuft zu werden.

Bisher befindet sich die VTB gar nicht so sehr wegen ihrer Größe in Europa als vielmehr wegen ihrer Vernetzung zwischen Paris, Frankfurt und Wien auf der 125 Namen langen EZB-Liste der systemrelevanten Geldinstitute, weshalb sie höhere Auflagen – vor allem eine höhere Eigenkapitalquote – erfüllen muss. Man wolle auch Kosten sparen und habe sich mit der EZB darauf geeinigt, aus drei Lizenzen eine zu machen, sagte Kostin zur FT: „Wir schrumpfen in Europa“. Aus der EZB hieß es laut „FT“ dagegen, die Prüfung des Antrags der VTB sei noch in einer frühen Phase. Eine Entscheidung soll bis Jahresende fallen.

Die VTB hat in Österreich und Deutschland zusammen 240 Mitarbeiter, in Paris 60. Wie es mit den Mitarbeitern nach der Zusammenlegung weitergeht, ließ die Bank auf Anfrage der „Presse“ in Moskau vorerst offen.

Stresstest und Sanktionen

Nicht nur die VTB, auch ihr größter Konkurrent, der russische Banchenprimus Sberbank, trägt sich mit dem Gedanken, sein auf acht Töchter aufgeteiltes Europageschäft zusammenzulegen. Man beobachte den Schritt der VTB genau, erklärte ein Sberbank-Vertreter gegenüber der FT: Noch sei keine Entscheidung gefallen, eine solche sei für das dritte Quartal geplant.

Die Sberbank hatte 2012 den Schritt nach West- und Mitteleuropa gemacht, indem sie die Ostbankentochter der defizitären österreichischen Volksbanken AG kaufte. Die Übernahme für sich erwies sich als schwere Last. Dazu kam, dass die Sberbank gleich wie die VTB 2015 beim Stresstest der EZB durchfiel. Am Ende mussten die Sberbank 250 Mio. Euro und die VTB 200 Mio. Euro Eigenkapital in ihre Österreich-Töchter nachschießen.

Es sind nicht die einzigen Turbulenzen, denen beide Geldinstitute ausgesetzt sind. Sie befinden sich auch auf der Sanktionsliste der EU und der USA, weshalb ihnen eine Kapitalaufnahme mit einer Laufzeit von über 30 Tagen im Westen untersagt ist.

Geldeintreibung in Slowenien

Die Sberbank ist zudem als größter Gläubiger des kroatischen Agrokor-Konzerns von dessen Turbulenzen in Mitleidenschaft gezogen. Um wenigstens einen Teil der Schulden des inzwischen unter staatliche Kuratel gestellten Konzerns einzutreiben, hat die Sberbank nun ein Verfahren zur Beschlagnahmung von 18,5 Prozent der slowenischen Handelskette Mercator, die zu Agrokor gehört, gestartet. (ag./est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2017)

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