Versicherer brauchen Katastrophen

Große Schäden bedeuten nicht zwingend gute Geschäfte für Versicherer.
Große Schäden bedeuten nicht zwingend gute Geschäfte für Versicherer.(c) APA/dpa/Armin Weigel (Armin Weigel)
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Das Überangebot auf dem Markt hat die Prämien der Rückversicherer kräftig sinken lassen. Das spiegeln auch die Aktienkurse wider. Hurrikan Irma könnte eine Trendwende bringen.

Zürich. Die Schäden von Harvey sind noch lange nicht beseitigt – da zieht Irma in der Karibik und im Süden der USA eine weitere Spur der Verwüstung. Damit ist die Gefahr aber nicht vorbei: José und Katia lauern schon. Die Hurrikansaison ist in vollem Gange – das bedeutet für die Erst- und Rückversicherer hohe Kosten.

Auf rund 100 Mrd. Dollar wird der gesamtwirtschaftliche Schaden geschätzt, den Harvey verursacht haben dürfte. Nur ein Bruchteil davon ist versichert – die UBS rechnet mit rund 15 Mrd. Dollar. Analysten der Deutschen Bank gehen von einem Betrag im Bereich von 20 Mrd. aus, wobei circa sieben Mrd. durch das National Flood Insurance Program NFIP) der US-Regierung gedeckt werden dürften. Die Differenz zu den versicherten Schäden ist vor allem damit zu erklären, dass Privatversicherer in erster Linie Windschäden oder solche, die zu Geschäftsunterbrechungen führen, versichern, nicht aber die Flutschäden privater Haushalte.

Weitaus teurer dürfte Irma werden. Experten der Credit Suisse glauben anhand von Modellrechnungen, dass der versicherte Schaden 125 Mrd. Dollar erreichen könnte. Irma würde damit zur teuersten Hurrikankatastrophe aufsteigen und Katrina aus dem Jahr 2005 in New Orleans (82 Mrd. Dollar) überflügeln.

So zynisch das klingt – für die Rückversicherungsbranche, die sich ab heute, Samstag, zum alljährlichen Weltkongress in Monte Carlo trifft, um die Marktlage auszuloten, könnte das von Vorteil sein. Denn seit Jahren übersteigt das Angebot an Rückversicherung die Nachfrage bei Weitem, und die Preise befinden sich deshalb im Tiefflug. Neue Anbieter wie Hedgefonds und andere finanzkräftige Kapitalgeber geben sich mit niedrigeren Renditen zufrieden als die Rückversicherer und mischen so den Markt auf.

Nur ein Megaschaden im Volumen von 100 Mrd. Dollar oder mehr – oder etliche kleinere in dieser Gesamtdimension – könnten eine Trendwende im Preisgefüge einläuten, heißt es bei der UBS. „Irma könnte sich zu einem solchen Ereignis entwickeln und zumindest zu einer Stabilisierung im Preisgefüge führen, insbesondere im Sachgeschäft mit US-Unternehmenskunden.“

Kein Ende des Preisverfalls

Die Branche schwankt derzeit zwischen Zweckoptimismus und Depression. „Ein Ende des Preisrückgangs ist nicht in Sicht“, sagt etwa Johannes Brander von Standard & Poor's. Noch düsterer ist die Einschätzung bei Fitch: Die Ratingagentur glaubt, dass die Rückversicherungsprämien 2018 um 7,5 Prozent sinken dürften.

Es gebe eine Tendenz zur Bodenbildung, zur Stabilisierung, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ indes die Chefs von Swiss Re und Munich Re, Christian Mumenthaler und Torsten Jeworrek. Swiss Re dürfte nicht nur in Texas am stärksten belastet worden sein, die Schweizer dürften auch bei Irma am stärksten zur Kasse gebeten werden, schätzt die UBS. Hohe Schadenszahlungen könnten das für November (nach Ablauf der Hurrikansaison) in Aussicht gestellte Aktienrückkaufprogramm bis zu einer Mrd. Franken zumindest teilweise infrage stellen.

Die Situation der Branchengrößen spiegelt sich nicht nur in den seit Jahren sinkenden Gewinnen wider, sondern auch in den fallenden Aktienkursen. Seit dem Zwischenhoch im Juli von 95 Franken ist Swiss Re auf 82 Franken abgestürzt. Munich Re verbilligte sich im selben Zeitraum von 186 auf 167,30 Euro. Hannover Rück verlor von 110 auf 95 Euro und die französische Scor von 37,44 auf 33 Euro. Außer Scor haben die Papiere der anderen drei Unternehmen ein Jahrestief erreicht. (ag/eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2017)

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