Das Gerangel um die Jahrhundertanleihen

Argentinien (im Bild eine Bank in Buenos Aires) begibt 100-jährige Anleihen.
Argentinien (im Bild eine Bank in Buenos Aires) begibt 100-jährige Anleihen.(c) REUTERS (MARCOS BRINDICCI)
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Österreich sammelt mit einer 100-jährigen Anleihe Milliarden ein. Die Nachfrage kommt von Versicherern und Pensionskassen. Doch gibt es auch Risken.

Frankfurt. Auf der verzweifelten Suche nach Rendite packen sich Investoren immer häufiger extrem lang laufende Staatsanleihen in ihre Depots. Selbst mit 100-jährigen Bonds sammelten Österreich und Argentinien kürzlich Milliardengelder ein. Kanada denkt über einen neuen 50-jährigen Schuldschein nach, und Experten erwarten, dass auch die USA bald mit einem solchen Wertpapier an den Markt gehen.

Für die Länder sind solche Papiere interessant, weil sie sich über einen langen Zeitraum niedrige Zinsen sichern. Fachleute warnen aber Investoren vor einem unberechenbaren Risiko bei dieser Form der Geldanlage. „Es ist eine klare Tendenz hin zu ultralangen Anleihen zu erkennen“, sagt Analyst Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg. „Vor der Finanzkrise war das Höchste der Gefühle eine 30-jährige Anleihe. Inzwischen finden selbst Länder mit einer höheren Verschuldung Abnehmer für länger laufende Bonds.“ Im Oktober 2016 emittierte Italien eine 50-jährige Anleihe – obwohl die dortigen Banken in einer schweren Krise stecken und das Land so stark verschuldet ist wie kaum ein anderer Staat in Europa. Argentinien, das schon mehrfach bankrott war, sammelte im Juni 2,8 Mrd. US-Dollar (2,37 Mrd. Euro) ein, die erst 2117 zurückgezahlt werden müssen.

Auslöser für den Trend sind die extrem niedrigen Leitzinsen. In der Eurozone liegen sie auf einem Rekordtief von 0,0 Prozent, in den USA zwischen 1,0 bis 1,25 Prozent. Da sind die ultralang laufenden Anleihen vor allem für Lebensversicherer und Pensionsfonds interessant, weil sie ihre langfristigen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Kunden abdecken müssen. „Die Firmen müssen auf jeden Basispunkt Rendite schauen, den sie in dem Niedrigzinsumfeld bekommen können“, sagt LBBW-Fachmann Völker. Für eine 50-jährige Anleihe aus Italien bekommen sie derzeit etwa 3,5 Prozent, während die zehnjährigen Titel bei 2,2 Prozent rentieren.

Steuerzahler kann sich freuen

Die österreichische Finanzagentur OeBFA rechnet vor, dass sie der 100-jährige Schuldschein mit rund zwei Prozent Rendite nur ein Drittel von dem kostet, was sie in den vergangenen 40 Jahren im Schnitt für zehnjährige Anleihen bezahlen musste. „Für den Steuerzahler ist das toll“, sagt OeBFA-Sprecher Christian Schreckeis.

Die deutsche Finanzagentur, die für das Schuldenmanagement des Bundes verantwortlich ist, will sich dagegen nach eigenen Angaben nicht in diese Richtung vorwagen. Das hat sie auch nicht nötig: Im Laufzeitenbereich bis sieben Jahre gibt es Negativzinsen.

Völker warnt davor, dass bei der Suche nach Rendite die Risken außer Acht gelassen werden. „Bei so langen Laufzeiten lässt sich nicht ohne Weiteres überblicken, was alles passieren kann.“ Die Allianz lässt deshalb lieber die Finger von Jahrhundertbonds. „Anleihen mit 100 Jahren Laufzeit eignen sich nicht gut zur Bedeckung unserer Verpflichtungen gegenüber unseren Kunden. Diese Laufzeiten sind eher spekulativ“, sagt Andreas Gruber, der bei dem Versicherungskonzern für die Anlagestrategie verantwortlich ist.

Ein großes Risiko für Anleger ist, dass die Kurse für die Anleihen fallen, wenn die Notenbanken aufhören, in großem Stil solche Papiere auf dem Markt aufzukaufen. Problematisch wird es für Investoren nur, wenn sie die Anleihen vor der Endfälligkeit verkaufen, sagt Experte Eugen Keller von der Metzler Bank. Dann könnte es passieren, dass sie weniger für den Bond bekommen, als sie bezahlt haben. Im Fall Argentinien halten Experten in den nächsten 100 Jahren auch eine neue Staatspleite nicht für ausgeschlossen. (Reuters/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2017)

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