Finanzmarkt Expertin: „Märkte mögen keine Überraschung“

Blue-Bay-Expertin Polina Kurdyavko investierte in argentinische Anleihen. Argentiniens Präsident Mauricio Macri sei sehr marktwirtschaftlich orientiert und ziehe wieder internationale Investoren an, sagt sie.
Blue-Bay-Expertin Polina Kurdyavko investierte in argentinische Anleihen. Argentiniens Präsident Mauricio Macri sei sehr marktwirtschaftlich orientiert und ziehe wieder internationale Investoren an, sagt sie.(c) Michele Pauty (Michele Pauty)
  • Drucken

Interview. Mit Renditen von acht Prozent lohnt sich ein selektives Investment in Unternehmensanleihen aus den Emerging Markets, meint Blue-Bay-Expertin Polina Kurdyavko.

Die Presse: Frau Kurdyavko, die US-Zinsanhebungen scheinen die Schwellenländer kaum zu tangieren, obwohl dann etwa Dollarschulden teurer werden. Ist das nur die Ruhe vor dem Sturm?

Polina Kurdyavko: Die Zinsschritte wurden längst erwartet. So konnten sich die Märkte darauf einstellen, im Gegensatz etwa zum Jahr 2013. Damals kam die Ankündigung der US-Notenbank, die lockere Geldpolitik allmählich zu beenden, überraschend – was zum heftigen Abverkauf in den Schwellenländern führte. Denn Märkte mögen grundsätzlich keine Überraschungen. Obendrein schwächte sich das Wachstum in den Regionen ab, und das Leistungsbilanzdefizit wurde in Ländern wie etwa der Türkei, Indien oder Brasilien immer größer. Da schmerzten steigende US-Zinsen, denn das Defizit wurde mit Dollarschulden finanziert.

Was hat sich in der Zwischenzeit geändert?

Viele Schwellenländer stehen mittlerweile auf wirtschaftlich viel solideren Beinen. Auch das ist ein weiterer Grund, weshalb die jüngsten US-Zinsanhebung zumindest bislang keine Verkaufswelle in den Schwellenländern ausgelöst haben. Erst wenn die Renditen bei den US-Staatsanleihen signifikant ansteigen, die Anleihekurse somit sinken, könnten die Märkte in den Schwellenländern erneut auf die Probe gestellt werden.

Am Rohstoffboom lag der Aufschwung in den Schwellenländern diesmal aber nicht.

Das ist richtig. Vielmehr sind in den vergangenen Jahren viele Währungen in den Emerging Markets etwa gegenüber dem Dollar gesunken, teilweise um mehr als 40 Prozent. Das begünstigte die lokale Produktion sowie die Exporte aus den Regionen. Dabei zieht das Wachstum auch in den entwickelten Märkten wieder an, und das bei niedriger Inflation.

Allerdings haben sich auch in den Schwellenländern die Anleihekurse verteuert. Lohnt sich der Einstieg noch?

Unternehmensanleihen in lokaler Währung sind noch sehr günstig, da sie bislang wenig internationale Beachtung finden. In der Regel haben sie eine recht kurze Laufzeit, während die Rendite in dem Segment rund acht Prozent beträgt. Und die durchschnittliche Bonität liegt mit einem BBB im oberen Bonitätssegment, dem Investment-Grade-Bereich. Wenn auch noch internationale Anleger zukaufen, sollte das die Kurse antreiben.

Und wo werden Sie fündig?

Etwa in Argentinien, wo der Finanzmarkt viele Jahre geschlossen und das Land zweimal zahlungsunfähig war. Der aktuelle Präsident, Mauricio Macri, ist hingegen sehr marktwirtschaftlich orientiert und zieht wieder internationale Investoren an. Immerhin hat sich der argentinische Bondmarkt in lokaler Währung mit einem Plus von rund 15 Prozent seit Jahresbeginn besser als die meisten anderen Märkte aus den Regionen entwickelt.

Wie haben Sie von diesem Boom profitiert?

Wir haben zum Beispiel Anleihen der Banco Supervielle mit einem Zinssatz von 25 Prozent und einer sehr kurzen Laufzeit gekauft. Dabei kommt den Banken grundsätzlich das allgemein sinkende Zinsniveau in dem Land zugute. Früher konnten sich viele Argentinier kaum einen Kredit leisten. Jetzt nimmt die Kreditvergabe allmählich zu, und daran verdienen die Banken.

Russland steht immer wieder im Rampenlicht. Wie schaut es mit Investmentchancen aus?

In Russland bieten Staatsanleihen in lokaler Währung interessante Chancen. Der russische Rubel hält sich gut, und weitere Zinssenkungen sollten bestehende, somit besser verzinste Anleihen stützen. Bei russischen Unternehmensanleihen sollte man hingegen bei den einzelnen Titeln sehr genau hinschauen.

Und wie haben Sie zuletzt Chancen bei russischen Unternehmensanleihen genutzt?

Wir haben in einem unserer Fonds auf fallende Anleihekurse bei der Otkritie Bank gesetzt. Das war die größte Privatbank Russlands, sie hatte in den vergangenen Jahren Vermögenswerte von rund 40 Milliarden Dollar angehäuft. Uns gefiel das rasante Expansionstempo nicht. Anfang Juni wurden auch noch die Lokalwährungsanleihen der Bank von einer russischen Ratingagentur herabgestuft. Somit mussten per Gesetz alle staatlichen und staatsnahen Betriebe ihre Einlagen abziehen. Das traf vor allem die nachrangigen Anleihen, also die schlechteren Wertpapiere der Otkritie Bank besonders hart.

ZUR PERSON

Polina Kurdyavko schloss sich 2005 Blue-Bay Asset Management an, wo sie unter anderem den Emerging Markets Local Currency Corporate Bond Fund (LU1426133440) sowie den Emerging Markets Absolute Return Bond Fund (LU1273671245) managt.

Ihre Finanzkarriere hat die Betriebswirtin und leidenschaftliche Surferin im Jahr 1998 in Russland begonnen. Das war unmittelbar nach der Krise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.