Analystenprognosen liegen weit auseinander

(c) Reuters (Ralph Orlowski)
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RCB rät zum Verkauf von Aktien, Spängler-Fonds sieht gutes Aktienjahr und warnt vor Anleihen.

Wien (höll/ju). Auch nach der Finanzkrise kommt es selten vor, dass Analysten Verkaufsempfehlungen aussprechen. Die Experten der Raiffeisen Centrobank (RCB) und der Raiffeisen Zentralbank (RZB) wagen nun den Tabubruch: Sie stuften in ihrem jüngsten Kapitalmarktbericht den Wiener Leitindex ATX und praktisch alle Indizes in Osteuropa mit „Sell“ ein. RZB-Chefanalyst Peter Brezinschek erwartet in den nächsten Monaten an den Ostbörsen eine Kurskorrektur von zehn bis 20Prozent. „Die Region muss sich auf einen bevorstehenden Liquiditätsentzug einstellen“, so Brezinschek. Derzeit herrsche an den Märkten trügerische Ruhe. Im Vorjahr haben die Börsen in der Ukraine, in Rumänien und in Ungarn stark zugelegt, obwohl die Wirtschaftszahlen in diesen Ländern schlecht waren. Wegen der überdurchschnittlichen Kursgewinne könnte es genau an jenen Börsen zu einem gröberen Abschwung kommen.

Auch mit dem österreichischen Aktienmärkten soll es nach Einschätzung von Raiffeisen im ersten Halbjahr bergab gehen – allerdings dürfte es den ATX nicht ganz so schlimm treffen wie die Ostbörsen. „In den kommenden Monaten wird der österreichische Aktienmarkt eher durch externe Faktoren beeinflusst werden – wie einer Schwäche globaler Wirtschaftsindikatoren und einer restriktiveren Liquiditätspolitik“, meint auch RCB-Chefanalystin Birgit Kuras. „Die Kursanstiege in 2009 waren überdurchschnittlich, weshalb es nun auch zu gröberen Kursabschlägen kommen könnte.“

Während Investoren im ersten Halbjahr 2010 eher vorsichtig agieren sollten, dürfte es nach Meinung von Raiffeisen im zweiten Halbjahr wieder aufwärts gehen. Kuras kündigte für das erste Quartal einen Rückgang des ATX auf rund 2300Punkte an. Bis Jahresende geht sie aber davon aus, dass der Index auf 2900Punkte steigen wird. Zuletzt lag der ATX bei rund 2300 Punkten.

Im Vorjahr gab es in Wien keine Börsengänge, auch Kapitalerhöhungen waren selten. Dies soll sich nun ändern. „Es gibt sehr viele Gespräche. Es wird sicher ein schwieriges Jahr für Börsengänge, aber es wird ein Jahr für Kapitalerhöhungen werden“, prognostiziert Kuras. Nach ihren Worten prüfen „sehr viele Unternehmen“, sich mit Eigenkapital einzudecken. Namen nannte sie nicht. Bekannt sind aber Pläne, dass einige Immobilienfirmen wie Immofinanz über Kapitalerhöhungen nachdenken. Auch der österreichische Staat holt sich Geld vom Kapitalmarkt. Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) hat gestern das Volumen ihrer jüngsten siebenjährigen Bundesanleihe von drei auf vier Milliarden Euro erhöht. Der Coupon der Emission wurde mit 3,20Prozent festgelegt, der Emissionspreis lag bei 99,807Prozent. Die Rendite der Anleihe liegt mit 33Basispunkten über der deutschen Benchmark.

„Aktien bleiben attraktiv“

Anders als bei Raiffeisen sieht man die Lage bei der Spängler KAG, der Fondstochter des Bankhauses Spängler: In der ersten Jahreshälfte seien Aktienveranlagungen „weiter attraktiv“, Staatsanleihen würden sich dagegen schwach entwickeln, sagte der Geschäftsführer des Spängler-Partners IQAM (Institut für Quantitatives Asset Management), Thomas Steinberger. Man rate deshalb, stärker in Aktien zu gehen und Staatsanleihen unterzugewichten. In Emerging Markets hätten Aktien und Anleihen besonders gutes Potenzial, weshalb diese Märkte in den Portfolios übergewichtet werden sollten. Insgesamt werde 2010 ein „gutes Investitionsjahr für global gestreute, breit diversifizierte Portfolios“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2010)

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