Skepsis und Zögern bei europäischen Partnern

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Deutschlands Kanzlerin und die EU-Kommission sind gegen eine Finanztransaktionssteuer, Frankreich und Belgien dafür.

WIEN/BRÜSSEL.Österreichs Regierung ist mit ihrem Vorstoß für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der EU zwar nicht allein, aber dennoch isoliert. Denn die meisten EU-Partner sehen derzeit keine realistische Möglichkeit, die Steuer einzuführen, da sie dies nur im globalen Gleichklang für praktikabel erachten. „Das ist eine Sache, die sinnvollerweise in einer Form geregelt wird, die alle Regionen der Welt gleichermaßen erfasst“, sagte ein europäischer Diplomat am Montag.

Zwar haben die 27 Finanzminister nach ihrer Krisensitzung am vorletzten Sonntag erklärt, dass „wir an Initiativen weiterarbeiten müssen, die zum Ziel haben, dass der Finanzsektor in Zukunft im Fall einer Krise seinen Teil der Last trägt“. Dazu gehöre auch, „die Möglichkeit einer globalen Transaktionssteuer zu ergründen“, wie es in ihren Schlussfolgerungen heißt. Einen konkreten Arbeitsauftrag dürfe man daraus aber nicht ableiten. „Seien wir ehrlich: Im Lauf der letzten Wochen ist es ziemlich klar geworden, dass es jetzt um die Lösung unmittelbarer Krisen geht, nicht um langfristige Vorhaben wie dieses“, sagte ein Diplomat eines anderen EU-Staates. „Wir werden keinen Vorschlag der Kommission für so eine Steuer in den nächsten sechs Wochen sehen.“

Deutschlands Bundeskanzlerin, Angela Merkel, hat sich zuletzt dezidiert gegen die Einführung einer Transaktionssteuer ausgesprochen, erntete damit aber Kritik aus den eigenen Reihen. Vor allem in der CSU werden Rufe nach einer Besteuerung der Finanzmärkte immer lauter. Frankreich und Belgien haben sich hingegen bereits in Regierungs- und Parlamentsbeschlüssen zur Einführung der Steuer bekannt, allerdings nur, wenn sich alle EU-Länder daran beteiligen.

Die Befürworter der Transaktionssteuer in der EU argumentieren, dass mit ihr Finanzgeschäfte endlich gleich behandelt würden wie der Austausch von Waren und Dienstleistungen in der Realwirtschaft, der allerorts mit einer Mehrwertsteuer belastet werde. Sowohl in der Realwirtschaft als auch in der Finanzwirtschaft gebe es Waffengleichheit nur bei der Gewinnbesteuerung.

Schlechte Erfahrungen

Skepsis brachte in der EU bis zuletzt vor allem die schwedische Regierung vor. Das Land hatte selbst mit einem vorübergehenden nationalen Alleingang 1984 schlechte Erfahrungen gemacht. Damals brachen die Umsätze mit Anleihen deutlich ein.

Im vergangenen Dezember hatte es dennoch kurzfristig so ausgesehen, als könnte ein Schulterschluss der 27 Mitgliedstaaten gelingen. In einem Gipfelbeschluss verlangen alle Staats- und Regierungschefs erstmals die ernsthafte Prüfung einer solchen Steuer-Option durch IWF und EU-Kommission. Bundeskanzler Werner Faymann sprach damals von einem „Durchbruch“. Mit für die Einführung der Steuer war auch der mittlerweile abgewählte britische Premier, Gordon Brown, eingetreten.

Das Urteil der EU-Kommission war dann aber negativ. Am 6.April veröffentlichte sie eine Studie, die im Kern Folgendes besagt: Die Einführung einer weltweiten Steuer auf spekulative Finanzgeschäfte würde deutlich weniger Geld bringen als erwartet, hätte unerwünschte Nebenwirkungen auf die Realwirtschaft und würde ziemlich sicher gegen EU-Recht verstoßen. Denn jene Studie des Wiener Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) aus dem Jahr 2008, die Befürworter so einer Steuer stets zitieren, sei unrealistisch. Sie war zum Ergebnis gekommen, dass eine Steuer von 0,1Prozent auf alle Finanztransaktionen 0,8 bis zwei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung bringen könnte. Das wären 327 bis 845 Mrd. Euro.

Die Kommission hält es für realistischer, dass eine Transaktionssteuer nur 57 bis 64 Mrd. Euro einbringen würde. Auf die Eurozone entfielen rund 20 Mrd. Euro. Das wären nicht einmal acht Prozent jenes Betrags von 270 Mrd. Euro, den die Globalisierungskritiker von Attac stets nennen.

Zudem könnte die Besteuerung von Währungstransaktionen eine Beschränkung des Kapital- und Zahlungsverkehrs bedeuten, wendete die Kommission ein. Diese Beschränkung ließe sich nur dann mit dem Interesse an stabilen Märkten rechtfertigen, wenn es keine andere Möglichkeit gäbe, für Stabilität zu sorgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2010)

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