Leerverkaufsverbot "dumm": Euro fällt unter 1,22 Dollar

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Euro(c) AP (Andrew Medichini)
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"Deutschland hat die Lichter am europäischen Finanzmarkt ausgeknipst", sagt ein Experte. Er meint damit das deutsche Verbot von ungedeckten Leerverkäufen von Staatsanleihen und Kreditversicherungen.

Das Verbot von ungedeckten Leerverkäufen durch die deutsche Finanzaufsicht BaFin schockt die Finanzmärkte. Seit Mitternacht ist der Leerverkauf von Aktien der zehn führenden deutschen Finanzinstitute und Anleihen von Staaten der Eurozone sowie bestimmten Kreditversicherungen (CDS) verboten.

Als direkte Folge ist der Euro am Mittwoch im Frühhandel zeitweise auf 1,2144 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit April 2006 gefallen. Im späten Nachmittagshandel erholte sich der Euro wieder etwas. Gegen 18 Uhr notierte der Euro bei 1,2317 Dollar.

Konkret wurden nur ungedeckte Leerverkäufe verboten. Das heißt: Wer Staatsanleihen besitzt, kann sie weiter absichern. Damit will man Investoren treffen, die CDS nie als Versicherungsprodukte, sondern als Hebelprodukte auf Anleihen verstanden haben.

"Es sieht wie ein populistischer Schritt aus"

Auch gegen Pfund und Yen gab der Euro deutlich nach. Gegen den Franken notierte der Euro nur leicht im Minus. Devisenhändler berichteten von einem turbulenten und hektischen Geschäft. Nach einer kurzen Erholung sei der Euro erneut stark unter Druck gekommen. Die Schweizer Notenbank hat vor diesem Hintergrund Händlern zufolge bereits interveniert und Euro in größerem Umfang gekauft.

Leerverkäufe (short selling)

Leerverkäufe funktionieren vereinfacht so: Angenommen, eine Aktie kostet heute 100 Euro. Ein Spekulant sichert sich mit einem Derivat das Recht, die Aktie in drei Monaten um 70 Euro zu verkaufen. Angenommen, die Aktie ist in drei Monaten am Markt zum 40 Euro zu haben. Nun kauft er die Aktie am Markt um 40 und verkauft sie sofort um die vereinbarten 70 --> und schon hat er 30 gewonnen.

Man spricht von "Leerverkauf", weil der Spekulant zum Zeitpunkt der Spekulation (im Bsp: Heute) gar keine Aktie hat, die er in drei Monaten verkaufen könnte. Er "borgt" sich die Aktie von jemandem anderen aus und retourniert sie zum Verkaufszeitpunkt, wenn er die gleiche Aktie am Markt kauft.

Geoffrey Yu, Währungsstratege bei UBS, sagt zum Yen-Euro-Verhältnis laut "Financial Times Deutschland": "Der Markt wundert sich, ob Deutschland etwas zu verbergen hat. Es sieht aber wie ein populistischer Schritt aus, der das Vertrauen in die europäische Politik unterminiert." Die Strategen von Barclays Capital schrieben dem Blatt zufolge in einem Researchbericht: "Solch unilaterale Aktionen nähren Zweifel daran, dass die Regierungen in Europa in Zeiten der Krise einen Konsensus erreichen können".

Merkel-Rede beunruhigt Märkte

Negativ wurde laut Händlern am Devisenmarkt auch die Rede der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zum Euro-Hilfspaket am Vormittag im Deutschen Bundestag aufgenommen. Merkel verkündete darin, dass das Verbot hoch spekulativer Wetten von Investoren unbefristet gilt. Die Entscheidung durch die Finanzaufsicht BaFin zeige, dass Deutschland zur Eindämmung der Spekulation auch zu Alleingängen bereit sei. Merkel will auch andere schärfere Regulierungen der Finanzmärkte notfalls ohne internationale Abstimmung durchsetzen.

Merkel sagte, sie werden sich für eine internationale Finanzaktivitätssteuer oder eine Finanzmarkttransaktionssteuer einsetzen. Wenn es auf globaler Ebene dafür keine Mehrheiten gebe, dann sei eine europäische Lösung eine Option. Die Banken hätten in der Krise als Brandbeschleuniger gewirkt. Sie müssten jetzt an den Kosten zur Krisenbewältigung herangezogen werden.

Experte: Zeitpunkt der Aktion ist "dumm"

Der Schritt der BaFin ist umstritten, denn nicht alle europäischen Staatsanleihen werden an deutschen Börsen gehandelt. Solange es sich bei der deutschen Regelung nicht um die Vorwegnahme einer internationalen Aktion handele, werde die neue Bestimmung wohl mehr für Verwirrung als für wirksame Handelsbeschränkungen sorgen, berichtet die "Frankfurter Allgemeiner Zeitung". Heiko Ruland von Ruland Research bezeichnet das Leerverkaufsverbot für CDS laut FAZ als "Non-event". Schließlich finde der Handel vornehmlich in London und New York statt. Ruland bezeichnet den Zeitpunkt der Aktion gar als "dumm", suggeriere es doch, dass die Schuldenkrise eben bei weitem nicht ausgestanden sei.

"Deutschland hat gerade die Lichter am europäischen Finanzmarkt ausgeknipst", schimpfte ein hochrangiger Devisenhändler einer europäischen Bank in Singapur, wie die FAZ berichtet. "Die Liquidität ist gering, die Geld-Brief-Spannen sind groß. Der ganze Handel geht in eine Richtung", sagte wiederum Gavan Nolan vom Finanzdatendienst Markit. "Das Bafin-Verbot schüttelt den Markt aus seinem Schlummer", so Nolan laut "Financial Times Deutschland". "Short-Positionen und Hedges werden aufgelöst."

Kosten für CDS sinken

Die Ankündigung des Verbots CDS-Leerverkäufen hat am Dienstagabend aber für Entspannung bei den Versicherungen gegen Zahlungsausfälle von EU-Staaten gesorgt. Die Kosten für griechische, britische, italienische, irische, portugiesische und deutsche Kreditausfallversicherungen (CDS) sanken.

Die griechischen Credit Default Swaps verbilligten sich nach Angaben des Datenanbieters Markit Intraday um 58 Basispunkte auf 607 Basispunkte. Die portugiesischen CDS gingen um neun Basispunkte auf 271 Basispunkte zurück, die für irische um zehn Stellen auf 199 Basispunkte. Deutsche CDS gaben um fünf Basispunkte auf 44 Basispunkte nach.

Credit Default Swap (CDS)

Bei einem "Credit Default Swap (CDS)" zahlt ein Sicherungsnehmer regelmäßig Prämien an einen Sicherungsgeber, der das Risiko für bestimmte Kredite dafür übernimmt. Es ähnelt daher einer Kreditversicherung. Der Vertrag läuft bis der jeweilige Kredit entweder fällig wird oder definitiv nicht mehr getilgt werden kann - in diesem Fall muss der Sicherungsgeber einspringen. Bei "Portfolio-CDS" wird nicht nur ein, sondern gleich mehrere Kredite (Portfolio) besichert.

(phu)

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