Kartellaffäre: „Minikrise“ bei Voest

(c) EPA (VOESTALPINE HANDOUT)
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Die Voest versichert, Absprachen auf dem deutschen Schienenmarkt selbst angezeigt zu haben, um straffrei zu bleiben. Andere sehen in einem Ex-Mitarbeiter den wahren Kronzeugen.

Linz/Auer. Die Affäre rund um das deutsche Schienenkartell dürfte den börsenotierten Linzer Stahlkocher Voestalpine stärker treffen als zunächst vermutet. Wie das deutsche „Handelsblatt“ am Montag berichtete, könnte das Unternehmen Gefahr laufen, seinen Kronzeugenstatus und damit die Aussicht auf Straffreiheit zu verlieren. Die Aktionäre reagierten prompt: Die Voest-Papiere rutschten am Montag bis zu sechs Prozent ab.

Voest: „Wir sind Kronzeuge“

Wie berichtet wirft das deutsche Bundeskartellamt der Voest und anderen Stahlunternehmen vor, seit 1998 Mengen und Preise auf dem deutschen Schienenmarkt abgesprochen zu haben. Der größte Kunde, die Deutsche Bahn, soll dadurch mitunter bis zu ein Drittel zu viel bezahlt haben.

Bisher ist angenommen worden, dass die Voest die Ermittlungen der Behörden ins Rollen gebracht hat, um sich selbst so Straffreiheit zu sichern. „Aus unserer Sicht hat sich am Kronzeugenstatus nichts verändert“, zeigte man sich in der Konzernzentrale in Linz auch betont gelassen. Man habe eine umfassende Anzeige gemacht und rechne mit Straffreiheit.

Nach Informationen des Handelsblatts könnte der Voest allerdings ein anderer Kronzeuge zuvorgekommen sein. Den ersten Hinweis für Kartellabsprachen im Schienengeschäft soll demnach ein früherer Mitarbeiter des Konzerns geliefert haben. Zudem habe sich ergeben, dass es nicht nur bei Schienen, sondern auch bei Weichen zu Preisabsprachen gekommen sei. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, habe der Konzern die Behörden nicht vollumfänglich informiert.

Ein Sprecher des deutschen Bundeskartellamts bestätigte der „Presse“ zwar, dass Firmen nichts verheimlichen dürften, wenn sie von der Kronzeugenregelung profitieren wollen. Allerdings habe die Behörde von Anfang an wegen Kartellabsprachen bei „Schienen und Zubehör“ ermittelt. Das dürfte Weichen miteinschließen.

Kursrutsch nicht überbewerten

Analysten bewerten den Kursrutsch zwiespältig: Klaus Küng von Raiffeisen spricht von einer „Minikrise“ für das Unternehmen. Eine mögliche Strafe schätzt er auf 150 Mio. Euro. Finanziell sei das angesichts eines operativen Gewinns von 985 Mio. Euro im letzten Geschäftsjahr „verkraftbar“. Problematischer sei der Imageschaden auf dem deutschen Markt, der sich auf andere Voest-Sparten, die etwa Blech an Audi, Mercedes und BMW liefern, ausweiten könnte.

Der Kursabsturz dürfe allerdings nicht überbewertet werden, sagt Erste-Analyst Franz Hörl. Ein gewisser Kursverlust war zu erwarten gewesen. Schließlich mussten Anleger bis vergangenen Freitag Voest-Papiere kaufen, wenn sie von der Dividende profitieren wollten. Wer Aktien nur wegen der Gewinnbeteiligung kauft, stößt diese traditionsgemäß am nächsten Handelstag, also am gestrigen Montag, wieder ab. 80 Cent der rund zwei Euro Verlust ließen sich mit diesem „Dividendenabschlagtag“ erklären.

Auf einen Blick

Seit 1998 sollen die Voestalpine und andere Stahlhersteller Preis und Menge am deutschen Schienenmarkt abgesprochen haben. Die Voest hofft, als Kronzeuge straffrei auszugehen. Doch angeblich hat nicht die Voest, sondern ein Ex-Mitarbeiter den entscheidenden Tipp geliefert. Analysten sehen eine „Mini-Krise“. Die Aktie brach um bis zu sechs Prozent ein, was aber auch am Dividendenabschlags-Tag lag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2011)

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