Zinsen könnten bald wieder sinken

(c) AP (MICHAEL PROBST)
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Experten der Royal Bank of Scotland erwarten, dass die EZB ihren Leitzinssatz schon im kommenden Oktober wieder auf ihr Rekordtief von einem Prozent zurücknimmt.

London/Brüssel/Red./Ag. Die eskalierende Schulden- und Bankenkrise könnte die Europäische Zentralbank (EZB) bald zum Handeln zwingen. Angedacht ist beispielsweise eine zusätzliche Liquiditätshilfe für Geschäftsbanken. So manche Beobachter gehen aber auch davon aus, dass die Notenbank auf das schlechter werdende Umfeld schon demnächst mit einer Senkung ihrer Leitzinsen reagieren wird.

Die Royal Bank of Scotland (RBS) rechnet beispielsweise „mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent“ mit einer Senkung des EZB-Leitzinssatzes um 0,5 Prozentpunkte auf ein Prozent im Oktober, spätestens aber im November. Damit würde der Zinssatz wieder auf dem Rekordtief des Vorjahres liegen. Heuer hat die EZB die Leitzinsen in zwei Schritten angehoben.

Neuer Liquiditätsschub der EZB?

Die RBS-Analysten halten diesen Schritt für notwendig, weil die Ausstattung der Geschäftsbanken mit zusätzlicher Liquidität nicht reichen werde. Eine solche hat der belgische Notenbank-Chef, EZB-Zentralratsmitglied Luc Coene, am Freitag angekündigt: Sollte sich die konjunkturelle Lage bis Oktober weiter eintrüben, werde die EZB wieder Refinanzierungsgeschäfte mit einem Jahr Laufzeit anbieten. Mit diesem Instrument hat die Euro-Notenbank die Geschäftsbanken während der schweren Finanzkrise 2008 versorgt.

Eine Zinssenkung, wie sie die RBS vorhersieht, will Coene nicht dementieren, aber auch nicht bestätigen: Die EZB habe „niemals etwas im Vorhinein ausgeschlossen“, sagte der Notenbanker kryptisch. Die RBS nennt in ihrer Analyse vier Hauptgründe für eine abermalige Zinswende im Euroraum: Die Stimmung an den Finanzmärkten sei so schlecht, dass sie sich ohne Gegenmaßnahme zu einer „sehr ernsten Krise“ entwickeln könnte; die Schuldensituation in Europa zeige keinerlei Anzeichen einer Besserung; die Wachstumsaussichten für den Währungsraum hätten sich stark eingetrübt und das habe, viertens, die Inflationserwartungen gedrückt. Zu hohe Inflationsraten wären eine starke Kontraindikation für eine Zinssenkung.

Die Bankenkrise eskaliert unterdessen ungebremst: Nach Ansicht der Deutschen Bank müssen sich die europäischen Geldinstitute auf deutlich höhere Belastungen durch die Probleme Griechenlands einstellen.

Bonds stärker abschreiben

Bisher gingen die Banken davon aus, dass die Abschreibungen auf griechische Staatsanleihen den „ausgehandelten“ Wert von 21 Prozent nicht deutlich übersteigen werden.

Jetzt rechnet die Deutsche Bank aber mit einem Abschreibungsbedarf von „25 Prozent und mehr“ auf diese Papiere. Die meisten europäischen Banken haben zum Halbjahr lediglich die von den Wirtschaftsprüfern vorgeschriebenen 21 Prozent abgeschrieben.

20 Großbanken unter Druck

Besonders betroffen vom Wertverlust griechischer Anleihen sind französische Banken, die deshalb in den vergangenen Tagen an den Finanzmärkten stark unter Druck geraten sind. Der Chef der französischen Finanzmarktaufsicht AMF, Jean-Pierre Jouyet, rechnet freilich damit, dass auch andere Großbanken stark unter Druck kommen werden. Insgesamt 15 bis 20 europäische Großbanken hätten „ein Problem mit der Kapitalausstattung“ und müssten rekapitalisiert werden, sagte Jouyet in einem Rundfunkinterview.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2011)

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