Niederlande: Wegen der Finanzkrise drohen massive Rentenkürzungen

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Von den 50 niederländischen Pensionsfonds sind wegen der Finanz- und Schuldennkrise bereits 17 unterkapitalisiert. Die Pensionisten steigen auf die Barrikaden und wollen bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Den Haag. Der große Knall kam in den Niederlanden nicht von den Feuerwerkskörpern, die den Himmel in der Silvesternacht erhellten, er kam von den Pensionsfonds. Die Hiobsbotschaft zu Silvester war eindeutig. Sie lautete: Es wird Pensionskürzungen geben.

Sie dürften zwischen sechs und acht Prozent liegen, weil viele niederländische Pensionsfonds wegen der Finanz-, Schulden- und Börsenkrise unterkapitalisiert sind. Das Problem hat eine andere Dimension als in Österreich (auch hierzulande müssen sich Bezieher von Pensionskassen-Pensionen auf kräftige Kürzungen einstellen). In den Niederlanden kommt die Hälfte der Pensionszahlungen nicht vom Staat, sondern vom Kapitalmarkt. In Österreich kommen mehr als 90 Prozent vom Staat.

Millionen Rentner leiden

Einziger Trost für die Niederländer: Die Kürzungen werden voraussichtlich nicht heuer fällig. Falls es mit der Weltwirtschaft 2012 aber nicht kräftig aufwärts geht, werden die Kürzungen unvermeidlich. Millionen Pensionisten dürften darunter leiden. Besonders hart erwischt hat die Wirtschafts- und Börsenkrise den größten niederländischen Pensionsfonds ABP. Diesem Fonds für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gehören 2,8 Millionen Versicherte an.

Der ABP verwaltet ein Vermögen von 237 Mrd. Euro. Aber auch er musste bekannt geben, dass sein Deckungsgrad von einst stolzen 105 Prozent auf jetzt nur noch 94 Prozent abgesunken ist. Ähnlich geht es den Pensionsfonds der Bauindustrie und fleischverarbeitenden Industrie. Ihr Deckungsgrad ist auch unter die Grenze von 100 Prozent abgesackt, die nötig ist, um die Rentenzahlungen in bisheriger Höhe leisten zu können.

Von den 50 großen niederländischen Pensionsfonds sind zu Jahresbeginn 17 unterkapitalisiert. Im Durchschnitt liegt der Deckungsgrad der 50 Pensionsfonds jetzt bereits mit 96,9 Prozent unter der wichtigen 100-Prozent-Marke. Insgesamt verwalten die 50 niederländischen Rentenfonds 664 Mrd. Euro. Sie sind neben der staatlichen Rentenversicherung und der Privatvorsorge der dritte und wichtigste Pfeiler für die Alterssicherung in den Niederlanden. Denn mit der relativ geringen staatlichen Alterspension für ein Ehepaar ab 65 Jahren von maximal 1.336,94 Euro monatlich lässt es sich in dem Land nur schwer über die Runden kommen.

Verluste mit Staatsanleihen

Vielfach liegen die staatlichen Pensionen aber noch weit unter diesem Höchstsatz, weil viele Arbeitnehmer die dafür erforderliche Zeit von 40 Berufsjahren in den Niederlanden nicht voll erreicht haben. Viele niederländische Rentnerhaushalte sind daher auf die Zusatzleistungen der Pensionsfonds angewiesen.
Das Vermögen der niederländischen Pensionsfonds schrumpfte 2011, weil es zum Teil in Staatsanleihen aus den von hohen Schulden gebeutelten Krisenländern wie Griechenland, Italien, Spanien oder in Aktien an den Börsen angelegt worden ist. Viele dieser Staatsanleihen und Aktien verloren 2011 kräftig an Wert.

Die meisten Börsen in Europa gingen infolge der Schulden- und Eurokrise ebenfalls auf Talfahrt. Der Amsterdamer Leitindex AEX, der 25 Schwergewichte wie Shell, Unilever, Philips oder Ahold umfasst, verlor im vergangenen Jahr zwölf Prozent und ging zum Ultimo 2011 mit 312 Punkten aus dem Markt. Doch im Vergleich zum DAX in Frankfurt oder dem CAC-40 in Paris schnitt der AEX noch vergleichsweise gut ab. Der DAX verlor 14,7 Prozent, der CAC-40 17,8 Prozent.

Nun steigen die niederländischen Pensionisten wegen der Verluste auf die Barrikaden. Martin van Roojen kündigte an, dass er und die NVOG gegen die geplante Rentenkürzung klagen werden. Van Roojen ist der Vorsitzende des Rentnerverbandes NVOG. Er und der  Verband planen dabei eine Doppelstrategie: ,,Es wird Klagen individueller Mitglieder des NVOG vor Zivilgerichten geben. Es wird aber auch eine Sammelklage der NVOG als Verband geben“, erklärte van Roojen in der Tageszeitung ,,Trouw“.

Mehr Geld von Arbeitgebern?

Notfalls ziehe man bis vor den Europäischen Gerichtshof. Die NVOG vertritt drei Millionen Rentner in den Niederlanden. Van Roojen und die NVOG meinen, die Arbeitgeber müssten ihre Beiträge aufstocken, um die Finanzlücken zu füllen. Ob die Unternehmen das machen werden, ist mehr als fraglich. Denn bisher gilt: Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen je zur Hälfte ihre Beiträge in die Pensionsfonds für die dort Versicherten ein. So leicht wird dieser Modus nicht zu ändern sein.

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