Lauda: "Ich wollte nicht mit Chauffeur in die Schule"

FORMEL 1 - GP von Kanada
FORMEL 1 - GP von KanadaGEPA pictures
  • Drucken

Niki Lauda erzählt der „Presse“, wie er in der Formel 1 seine Chefs zur Weißglut trieb, wie sein Großvater ihm seinen ersten Kredit vermieste und dass er nicht so geizig ist, wie viele glauben.

Die Presse: Herr Lauda, es gibt das Gerücht, Sie seien ziemlich sparsam bis geizig...

Niki Lauda: Gegen geizig wehre ich mich. Ich kann mit Geld umgehen.

Woher kommt dieses Bild?

Das kommt aus der Rennfahrerzeit. Wenn mich Leute zu einem Abendessen gezwungen haben, weil sie etwas von mir wollten, habe ich gesagt, es ist klar, dass ihr die Rechnung übernehmt. Wenn ich um ein Essen bitte, zahle ich natürlich. Ich bin ein großzügiger Mensch. Wenn meine Frau einen Wunsch hat oder die Kinder etwas brauchen, gibt es keine Diskussion. Ich kümmere mich auch nicht darum, was von der Kreditkarte meiner Frau abgebucht wird. Ich bin das Gegenteil von dem Bild, das alle von mir haben.

Wenn Sie sich etwas gönnen wollen, was kaufen Sie sich dann?

Gute Frage. Wenn ich zu einem Grand Prix wie kürzlich nach Kanada fahre, weiß ich, dass ich zwei Jeans brauche. Die kauf ich dann. Prinzipiell hasse ich einkaufen, deswegen kaufe ich nur das Minimum, das ich brauche.

Aber wofür geben Sie gern Geld aus?

Den einzigen Luxus, den ich mir leiste, ist ein Privatflugzeug. So kann ich selbst bestimmen, wann ich wohin fliege, und kann wesentlich effizienter arbeiten.

Sie stammen aus einer Industriellenfamilie. Offenbar waren Ihre Eltern aber nicht gewillt, Ihnen Geld etwa für Ihr erstes Auto zu geben. Das hat dann Ihre Großmutter finanziert.

Ich bin in der Lauda-Dynastie aufgewachsen, mein Vater und mein Großvater hatten Firmenautos mit Chauffeur. Der hat auch meinen Bruder und mich zur Schule gebracht. Ich habe ihm gesagt, er soll bitte ums Eck stehen bleiben, ich will nicht mit dem Chauffeur vorfahren. So gescheit war ich damals schon. Als Zehnjähriger habe ich meinen Vater gefragt: „Was verdienst du eigentlich?“ Er hat mich angeschaut, das werde ich nie vergessen, und gesagt: „Bei den Laudas wird so etwas überhaupt nicht diskutiert.“ Dann habe ich gefragt: „Wie viel Geld hast du noch?“ Er hat gesagt: „Wenn du noch einmal fragst, kriegst du eine Watschen.“

Über Geld sprach man also nicht?

Das war kein Thema. So, und jetzt werden Sie lachen. Dank meiner Funktion als Aufsichtsrat des Mercedes-Formel-1-Teams fahre ich Mercedes. Ich will immer ein kleines Auto, die A-Klasse. Meine Frau versteht das nicht. Sie sagt, du hast das Geld selbst verdient, du brauchst dich vor niemandem zu rechtfertigen. Kürzlich war ich bei der Vorstellung der S-Klasse in AMG-Version, mit mehr PS. Und jetzt habe ich ihn mir bestellt. Nach 64 Jahren bin ich über den Schatten meiner Erziehung gesprungen.

Sie haben Ihre Rennfahrerkarriere mit 2,5 Millionen Schilling Schulden begonnen. War Ihnen dabei nie unwohl?

O ja, sehr. In meiner Erziehung standen Schulden nicht zur Diskussion. Ich wusste, wenn das schiefgeht, bin ich fertig. Ich habe das ruckzuck zurückgezahlt.

Den Einstieg in die Formel 1 haben Banken als Sponsoren ermöglicht.

Zu Beginn die Erste, die aber ausgestiegen ist. Ich habe sie selbst akquiriert. Alles war klar, die Sache musste aber leider durch den Aufsichtsrat. Dort saß mein Großvater. Er hat gefragt, welcher Lauda ist das, der Niki? Na gut, da war es aus.

Daraufhin haben Sie bekanntlich den Kontakt zum Großvater abgebrochen.

Ich bin zu ihm gefahren und habe ihn gefragt, wieso er sich einmischt. Sein berühmter Spruch war: „Du musst in der ,Presse‘ auf den Wirtschaftsseiten stehen.“ Ich bin wohlerzogen aufgewachsen, in einem guten Elternhaus. Ich litt nicht an zu wenig Geld. Aber unnötige Sachen bekam ich nicht. Mein Vater hätte mir nie mit 18 einen Porsche gekauft. Die Füße auf dem Boden behalten und normal sein, auch wenn Geld da ist – es geht ja um nichts anderes.

Wie bringen Sie das Ihren Kindern bei?

Im Kindergarten werden sie die Lauda-Kinder genannt, dagegen kann man nichts tun. Wenn Menschen auf der Straße ein Autogramm wollen, schauen die Kinder, sie verstehen das nicht. Man muss versuchen, sie diese Dinge als ganz normal empfinden zu lassen und nicht den VIP-Bonus hervorkehren. Andererseits: Mein Sohn fährt mit dem Tretroller durch das Haus und fällt hin, weil er nicht nach vorn schaut. Wenn ich ihn frage: „Wieso fährst du so blöd?“, sagt er: „Ich bin ja Weltmeister.“ Die Kinder bekommen alles mit.

In der Formel 1 haben Sie immer hohe Gagen verlangt und galten lange als teuerster Rennfahrer.

Das hat sich sehr relativiert. Heute ist es 15-, 20-mal so viel. Aber natürlich war es damals auch viel Geld. Du musst ein Gefühl dafür bekommen, was bin ich wert, was will der andere dafür zahlen.

Enzo Ferrari soll bei Verhandlungen mit Ihnen einmal ausgerastet sein.

Drei Millionen Schilling habe ich gesagt. Er ließ sich das in Lire umrechnen. Dann hat er mich gefragt, ob ich deppert bin, ich soll froh sein, dass ich Ferrari fahren darf, er zahlt überhaupt nichts. Ich habe gesagt, dann fahre ich halt woanders. Es wurde ihm dann klargemacht, dass es gescheiter wäre, mir die drei Millionen zu zahlen.

Also haben Sie doch immer bekommen, was Sie wollten?

Nein, man muss schon verhandeln. Das Ärgste war für mich der Bernie (Ecclestone, damals Rennstallchef von Brabham, Anm.). Er holte mich von Ferrari. Ich habe immer die anderen Fahrer gefragt, was sie verdienen. Der Ronny Peterson hat zwei Millionen Dollar gekriegt. Die wollte ich auch. Der Bernie hat gesagt, ich bin vollkommen wahnsinnig. Er war beleidigt, hat nicht mehr mit mir geredet und mich in der Formel 1 ausgegrenzt. Da habe ich den damaligen Parmalat-Chef angerufen, der gerade den Sponsorenvertrag neu verhandelt hat. Er ließ Ecclestone wissen, wenn der Niki keinen Vertrag hat, kriegst du das Sponsoring nicht. Da hat der Bernie zähneknirschend unterschrieben. Dann hat er gesagt: „Not bad“, hat gelacht und die Geschichte war erledigt. Ein Typ wie der Bernie respektiert dich mehr, wenn du nicht als Jasager daherkommst.

Haben Sie das später in der Luftfahrt auch so gemacht?

Wenn ich bei Boeing eine 737 kaufen wollte, habe ich mich natürlich vorher bei der Konkurrenz erkundigt, welchen Diskont sie bekommen. Wenn sie nichts sagen wollten, habe ich gebeten: „Sagt es mir; wenn ich ein Prozent mehr bekomme, erzähle ich es euch auch.“

Haben Sie je überlegt, in ein Steuerparadies zu übersiedeln, wie so manche Ihrer Kollegen aus der Formel 1?

Ja. In den 1970er-Jahren wurde ich einmal vom Finanzamt verfolgt. Da bin ich nach Monte Carlo. Meine damalige Frau, Marlene, wollte aber in der Steinwüste nicht bleiben. Dann sind wir in Ibiza gelandet, mit einem Doppelsteuerabkommen. Ich habe meine Steuern bezahlt, und sie wurden hier angerechnet. Damit war das erledigt.

Wie viel Geld geben Sie eigentlich für Strafzettel aus?

Relativ wenig. Aber ich ärgere mich grün und blau, wenn ich in eine Radarfalle fahre, was selten passiert. Weil ich mich nicht verteidigen kann. Da würde ich am liebsten zurückfahren und mich beim Radar entschuldigen.

Fahren Sie manchmal auch öffentlich?

Meine Frau, Birgit, bat mich einmal, mit dem Autobus zu fahren, weil die Kinder das so gern machen. „Klar“, hab ich gesagt, „mache ich, wie bezahlt man da?“ Am Ende habe ich es bleiben gelassen.

Zur Person

Niki Lauda war 1975, 1977 – nach seinem Brandunfall auf dem Nürburgring – und 1984 Formel-1-
Weltmeister. Schon 1979 gründete er die Fluglinie Lauda Air. Nach vielen Turbulenzen und Querelen stieg er 2000 aus. Drei Jahre später gründete er die Billigfluglinie „Niki“, die er inzwischen zur Gänze an Air Berlin verkauft hat. Lauda ist jetzt Aufsichtsratschef des Mercedes-Formel-1-Teams.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.