Keine Zinswende, keine Renditen

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Analyse. Die Notenbanken Fed und EZB haben gezeigt, dass sie unberechenbar sind. Staatsanleihen von Ländern wie Deutschland oder Österreich sind mit noch mehr Risiko behaftet.

Wien. Noch steht nicht fest, wer sich hierzulande und in Deutschland mit dem Titel Finanzminister schmücken darf. Bestimmt kein stressfreier Job. Aber zumindest können sich die beiden zum aktuellen Zeitpunkt der Hilfe einer Institution sicher sein: der Europäischen Zentralbank (EZB). Und zwar beim Schuldenmachen. EZB-Präsident Mario Draghi hat in den vergangenen Wochen klargemacht: Die Zentralbank hält an ihrer extrem lockeren Geldpolitik fest – und die Zinsen bleiben niedrig, historisch niedrig.

Das ist derzeit gut für Staaten wie Österreich und Deutschland: Würden sie heute eine neue Anleihe auf dem Kapitalmarkt platzieren, müssten sie den Kapitalgebern relativ geringe Zinssätze bieten. Für konservative Anleger ist das hingegen keine gute Nachricht. Denn langfristige Staatsanleihen von sicheren Ländern bleiben für sie eine ertragsmäßig unattraktive Anlageklasse.

Das veranschaulicht eine österreichische Staatsanleihe, die noch neun Jahre läuft (ISIN: AT0000A0U3T4). Sie ist nur teuer zu haben. Denn die EZB hat mit dem Zinsschritt ein Signal ausgesandt, das die Investoren als Warnung wahrnehmen könnten: Es laufe mit den Volkswirtschaften in der Eurozone noch nicht rund, es bestehe vielmehr die Gefahr einer Deflation. Wenn Investoren fürchten, dass dunkle Wolken aufziehen, flüchten sie tendenziell in „sichere Häfen“ und treiben dadurch die Preise auch von österreichischen Staatsanleihen in die Höhe.

Anleihenkurse schwankten stark

Das illustriert der Kurs-Chart der neunjährigen Österreich-Anleihe: Im Sommer wurde das Papier nicht nachgefragt. Die Stimmung war gut, die konjunkturellen Aussichten für die USA und Europa waren passabel. Und vor allem: Die US-Notenbank Fed dachte laut darüber nach, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen und bei einer konjunkturellen Belebung ihre derzeit sehr lockere Geldpolitik restriktiver zu gestalten. Sprich, das Volumen ihres Wertpapier-Kaufprogramms von 85Mrd. Dollar monatlich schrittweise zurückzunehmen und später die Zinsen anzuheben. Bei den Finanzinvestoren machte sich daraufhin Optimismus breit. Sie wollten sich nicht mehr mit niedrigen Staatsanleihenrenditen zufriedengeben, sondern suchten höhere Renditen und gingen mehr Risiko ein.

Die Folge: Auch der Kurs der Österreich-Anleihen ging im Sommer deutlich zurück. Und wenn der Preis für eine Anleihe sinkt, steigt im Gegenzug deren Rendite an. Dieser Effekt war deutlich zu erkennen, Ökonomen sprachen daher bereits von einer Zinswende. Nur, die Notenbanken verhielten sich nicht „nach Plan“. Die US-Konjunktur entwickelte sich zwar ganz gut. Aber die US-Notenbank agierte ganz und gar nicht wie von den Finanzmärkten erwartet, sie führt ihre lockere Geldstrategie fort, von Zinsanhebungen wird nicht gesprochen. Die EZB drückte ihren Leitzinssatz sogar noch weiter nach unten und warnt eindringlich vor einer Deflation.

Damit ist der Optimismus unter den Investoren offensichtlich verflogen. Sie suchen wieder Sicherheit, die Kurse für sichere Anleihen sind seit Anfang September wieder deutlich gestiegen. Die neunjährige Österreich-Anleihe wirft zwar einen jährlichen Zins von 3,4 Prozent ab. Aber ihr Kaufpreis liegt derzeit wieder auf einem Niveau von über 112 Prozent. Wenn ein Anleger 5000 Euro (Nennwert) in solche Anleihen investieren will, muss er einen Aufschlag von fast 650 Euro berappen. Wenn er die Anleihe heute kauft, sie bis zum Ende der Laufzeit 2022 behält und alle Kosten (Transaktionskosten, Depotgebühren) abzieht – dann bleibt unter dem Strich nicht viel übrig. Nämlich eine jährliche Nettorendite von rund einem Prozent. Damit wird man langfristig die Inflation bei Weitem nicht abdecken können, auch wenn die aktuellen Teuerungsraten derzeit gering erscheinen.

Spekulation ist riskant

Bei langlaufenden deutschen Bundesanleihen, etwa bei einer mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren (ISIN: DE0001102325), sind die Nettoerträge noch geringer. Auf der Zinsseite schaut es damit nicht so gut aus. Sind österreichische Staatsanleihen oder deutsche Bundesanleihen vielleicht für Kursspekulationen interessant? Keine Frage, in den vergangenen Jahren hätte man damit hohe Kursgewinne erzielen können. Es droht aber eine große Gefahr: dass die Notenbanken ihre lockere Geldpolitik einschränken. Dass sie zu unberechenbar sind. Dann könnte sich der Boom bei den sicheren Staatsanleihen schnell als Blase erweisen. (ker)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2013)

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