Serena Williams: Die Queen von Queens

Serena Williams of the U.S. speaks during a news conference at the USTA Billie Jean King National Tennis Center ahead of the 2015 U.S. Open tennis tournament in New York
Serena Williams of the U.S. speaks during a news conference at the USTA Billie Jean King National Tennis Center ahead of the 2015 U.S. Open tennis tournament in New York(c) REUTERS (MIKE SEGAR)
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Serena Williams kann bei den US-Open in Flushing Meadows eines der Kunststücke des Sports schaffen – den Grand Slam. Schlagen kann sich die Tennisspielerin eigentlich nur selbst.

Sieben Matches muss Serena Williams noch gewinnen. Dann hätte erstmals seit 27 Jahren ein Spieler die größte Herausforderung im Tennissport bewältigt. Mit sieben Siegen würde sich Williams zum Champion der morgen beginnenden US Open in New York krönen, nach Melbourne, Paris und Wimbledon hätte sie alle vier Major-Turniere in einem Jahr gewonnen, der Kalender-Grand-Slam wäre perfekt.

Seit Beginn der Open-Ära 1968 gelang diese Meisterleistung nur drei Spielern: Rod Laver 1969, Margaret Court 1970 und Steffi Graf 1988. Davor schafften es außerdem Don Budge 1938, Maureen Connolly 1953 and Laver 1962. Für Williams wäre es die ultimative Krönung ihrer beeindruckenden Karriere. Mit 69 Turniersiegen, 21 Major-Titeln, olympischen Goldmedaillen und über 73 Millionen Dollar Preisgeld dominiert die 33-jährige US-Amerikanerin das Damentennis. Sie triumphierte in drei verschiedenen Dekaden (1990er, 2000er und 2010er) bei Grand-Slam-Turnieren und war in den vergangenen 13 Jahren 255 Wochen die Nummer eins der Weltrangliste.

Kaum jemand bezweifelt, dass Williams die US Open gewinnen wird. Dreimal in Folge (2012–14) war sie beim lautesten, schillerndsten Turnier der Welt siegreich. Es wäre ihr siebenter Titel in Flushing Meadows, NY-Stadtteil Queens, das wäre Rekord. Auf den US-Hartplätzen ist sie seit zwei Jahren oder 41 Partien unbesiegt. Ihre Matchbilanz in dieser Saison lautet 48:2, fürs Saisonfinale ist sie längst qualifiziert. Mit ihrem Wimbledon-Triumph hält Williams heuer zum zweiten Mal nach 2002/03 alle vier Grand-Slam-Titel („Serena-Slam“). Auch das gelang vor ihr zuletzt Graf 1993/94.

Von Druck will Williams unmittelbar vor den US Open nichts wissen. „Wenn ich im Turnier weit komme, werde ich vielleicht Druck spüren. Jetzt habe ich noch keinen. Ich bin einfach hier, um gut zu spielen und das Beste zu geben“, meinte Williams. Dass sie über derartige Rekorde sprechen müsse, über Graf und sogar Court, habe sie ohnehin nie für möglich gehalten. „Es wird immer Rekorde oder Personen geben, die man einholen kann.“


Eine wahre Kämpfernatur. Doch auch Williams wird den Druck nicht ausblenden können. Nach ihrem Triumph in Wimbledon gestand sie ihre Selbstzweifel: „Ich fühle mich jedes Mal verwundbar, wenn ich auf den Platz gehe. Ich bin immer eine meiner härtesten Gegnerinnen und kann mich jederzeit selbst stoppen.“ Sie habe bewusst nicht zu viel über den Serena-Slam nachgedacht, „hätte ich das getan, hätte ich nicht gewonnen“. Williams' Saison ist nämlich nur auf den ersten Blick so dominant. Heuer waren vor allem ihre Kämpferqualitäten gefragt. Von den 21 Siegen bei den Majors musste sie neunmal über drei Sätze gehen. Sie ist oft schwach gestartet, leistete sich Konzentrationspausen und litt in Paris sogar an Schwächeanfällen. Am Ende ging sie aber als Siegerin vom Platz.

Auch in New York kann sie sich eigentlich nur selbst im Weg stehen. Zu Recht wird am Damentennis kritisiert, dass relativ klar ist, wer ein Turnier gewinnt, wenn Williams antritt. Inzwischen hat sie mehr als doppelt so viele Weltranglistenpunkte wie die Weltranglistenzweite Simona Halep. Dennoch ist die Rumänin ihre wahrscheinlich härteste Konkurrentin, bei den WTA-Finale im Vorjahr hat sie Williams besiegt, zwei knappe Partien in dieser Saison gingen an Williams. Doch selbst Halep verehrt die Amerikanerin: „Ich glaube, sie kann heuer alle vier Majors gewinnen. Ich bewundere sie.“

Die beiden würden sich erst im Finale begegnen. Dort könnte sie auch auf Vorjahresfinalistin Caroline Wozniacki oder Viktoria Azarenka treffen, beide ehemalige Weltranglistenerste. In den Endspielen 2012 und 2013 lieferten sich Azarenka und Williams packende Dreisatzpartien, auch heuer wird der Weißrussin am ehesten zugetraut, die Favoritin aufzuhalten. Bereits vor dem Finale könnte es ein Wiedersehen mit Belinda Bencic geben. Die Schweizerin hat Williams vor zwei Wochen ihre letzte Niederlage zugefügt. Doch auf der größten Tennisbühne der Welt ist der erst 18-Jährigen ein weiterer Coup kaum zuzutrauen. Maria Sharapowa ist ohnehin keine Gefahr, gegen die Russin hat Williams seit zehn Jahren nicht mehr verloren.

Die erste Hürde auf Williams' Weg sollte mit der Weltranglisten-86., Witalia Djatschenko, keine große sein. Gewarnt ist sie aber: „Ich glaube, gegen mich spielt jeder das Match seines Lebens. Also muss ich immer hundertmal besser sein.“ Und mit jedem Sieg wird der Druck größer werden. „Ich will die US Open mehr als alles andere. Dass das den Grand-Slam bedeuten würde, ist toll, aber ich würde es hassen, das Turnier zu verlieren, mit oder ohne Grand-Slam.“ Gewinnt sie, wäre sie endgültig die Queen of Queens.

Steckbrief

Serena Williams wurde am 26.September 1981 in Saginaw, Michigan, geboren.
Wohnort: Palm Beach Gardens, Florida
Größe: 1,75 m
Gewicht: 70 kg

Profitennisspielerin seit 1995

Weltranglistenplatz: 1

Preisgeld: 73,29 Mio. US-Dollar

Einzel-Titel: 69, davon 21 Grand-Slam-Titel

Olympia: 4 Goldmedaillen (1 Einzel, 3 Doppel)

Matchbilanz 2015: 48 Siege, 2 Niederlagen

Serenas Pendant

Während bei den Damen alles auf Serena Williams blickt, führt den Titel bei den Herren Novak Djoković, 28. Mit 56:5-Siegen und sechs Titeln ist der Serbe der überragende Spieler der Saison. Vor den US Open musste sich die Nummer eins der Welt allerdings in den Endspielen von Montreal und Cincinnati Andy Murray und Roger Federer geschlagen geben. Titelverteidiger Marin Čilić ist nicht im engsten Favoritenkreis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2015)

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