Sahara, bald grün wie einst?

Wasser in der Wüste, hier im Fessan in Libyen, ist heute ein seltener Anblick. Aber vor 10.000 Jahren war und nährte es überall.
Wasser in der Wüste, hier im Fessan in Libyen, ist heute ein seltener Anblick. Aber vor 10.000 Jahren war und nährte es überall. (c) Aldo Pavan / Danita Delimont / p (Aldo Pavan)
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Die Wüste Afrikas war nicht immer trocken, sie spendete Leben, vielleicht gar unseres. Nun soll ein Great Green Wall auch wieder Leben in sie bringen.

Wenn die Trauerschnäpper im Herbst gen Süden ziehen, von den Niederlanden etwa an die Elfenbeinküste, dann haben sie, wie geschätzte zwei Milliarden andere Vögel auch, einen schier endlosen Weg vor sich, darunter 2000 Kilometer über jene glutheiße und staubtrockene Region, die im Arabischen schlicht „die Wüste“ heißt – sahrā – oder auch bahr bilā māext, Meer ohne Wasser. Wie kommen sie hinüber, die sie kleiner sind als Spatzen und zwölf Gramm leicht? In den Siebzigerjahren postulierte der Ornithologe Reginald Moreau, die beste Lösung sei ein Nonstopflug von 40 bis 60 Stunden. Daran kamen Zweifel, andere Vögel rasten den Tag über an Oasen und nutzen zum Reisen die kühle Nacht. Aber systematisches Beobachten ist schwer, wie soll man die Winzlinge im Auge behalten?

Mit noch winzigeren Messgeräten, die Temperatur und Lichtverhältnisse aufzeichnen, sie haben 0,5 Gramm. Mit ihnen stattete Janne Ouwehand (Groningen) im Herbst 2013 80 Trauerschnäpper in den Niederlanden aus, dann brauchte sie Geduld. Im Frühjahr waren 27 wieder da, 15 mit auswertbaren Daten: Die Vögel fliegen wirklich in einem durch, 60 Stunden, von Spanien nach Westafrika bzw. umgekehrt. Sie nehmen nur andere Wege, im Frühjahr queren sie die Sahara, im Herbst weichen sie nach Westen aus, über das Meer, das wusste man schon: Im Herbst sind die Mägen der Falken auf den Kanarischen Inseln voll mit Trauerschnäppern (Biology Letters, 18. 4.).

Diese Tour de Force mussten Zugvögel nicht immer auf sich nehmen, die Sahara war einst grün – mehr als einmal –, sie hatte Wasser, vielleicht entstieg dem gar der Mensch: Sahelanthropus, der Erste, der aufrecht ging, lebte vor 6,8 Millionen Jahren im heutigen Tschad. Gefunden hat man von ihm nicht viel – aber in der Nähe seiner Fossilien die von Krokodilen und Fischen. Anderes hinterließ deutlichere Spuren: etwa ein Fluss, der die Westsahara in den Atlantik entwässerte. Dass er das tat, zeigten schon Sedimente vor Mauretanien. Nun hat Francis Grousset (Bordeaux) das längst vom Sand verfüllte Bett mit Radarsatelliten gesichtet: Dieser Fluss – der Tamanrasett – wäre heute der zwölftgrößte der Erde (Nature Communications 6:8751).

Mehr als mithalten konnte ein See, der Megatschad, ganz Österreich hätte viereinhalbmal in seine 361.000 Quadratkilometer hineingepasst, er war der größte See Afrikas, wohl der Erde. Bis vor 5000 Jahren, dann schrumpfte er rapide, auf ein Tausendstel seiner einstigen Pracht, Nick Drake (London) hat es rekonstruiert (Pnas 112, S. 8543). Der See hatte sich lang gehalten, andernorts war Vieles schon trockengefallen, die Passatwinde hatten sich verschoben, warum ist nicht ganz klar, vermutlich hatte sich der Neigungswinkel der Erdachse geändert.

Schwimmer an der Wand. Um so deutlicher waren die Folgen: In der grünen Sahara wimmelte Leben, viele Tiere, selbst Fische und Wasserschnecken, waren zwischen Mittel- und Nordafrika gewandert, nun wurden die Populationen getrennt. Und die Menschen mussten sich davonmachen: Sie hatten, wie jene im Nahen Osten, Rinder domestiziert, aber anders als im Nahen Osten wurden sie nicht sesshaft, sondern zogen mit ihren Herden herum. Und hinterließen Spuren hoher Kultur, Wandbilder etwa, die bekanntesten zeigen schwimmende Menschen, berühmt – und bedroht, von Sensationslust und Raffgier – wurden sie durch den Film „Der englische Patient“.

Anderes blieb der Fachwelt vorbehalten: Stefan Kröpelin (Köln) hat über lange Jahre an entlegensten – und gefährlichsten – Orten unscheinbarere Schätze gehoben, Töpferwaren, gebrannt vor 10.500 Jahren, da war die Wüste wieder einmal grün. Vor 7300 Jahren war es vorbei, nur Refugien blieben, vor 5500 Jahren mussten die letzten Hirten gehen. Manche wandten sich nach Süden – ihre Erben sind die Massai –, andere nach Osten, zum Nil. Dessen Tal war früher versumpft, nun brachte das Versiegen von Zuflüssen aus der Sahara Wohnlichkeit, die Töpferei der Hirten tauchte auf, und nicht nur sie: Herodot hatte geschrieben, Ägypten sei ein Geschenk des Nils, Kröpelin ergänzte: „Ägypten ist auch ein Geschenk der Wüste“ (Science 313, S. 803). – Ob sie seitdem gewachsen ist, ist umstritten, aber für Anrainer ist sie ein derartiges Ärgernis, dass sie eine Idee aufnahmen, die 1952 vom Ökologen Richard Baker entwickelt wurde, die von der Green Front against the Desert. Seit 2007 ist sie Regierungspolitik vieler Staaten, nun unter dem Namen Great Green Wall for the Sahara and the Sahel. Diese Mauer soll aus Bäumen bestehen, die sich in mindestens 15 Kilometern Breite über die gesamten 7775 Kilometer vom Senegal bis Djibouti ziehen. Pflanzen will man Eukalyptus, er braucht wenig Wasser, und was er braucht, soll von Entsalzungsanlagen am Mittelmeer geliefert werden. Steht der Wald erst einmal, soll er mit seinen Ausdünstungen selbst für Regen sorgen – und alles CO2 aufnehmen, das anthropogen pro Jahr in die Luft kommt.

Kritiker winken ab: Ein Vorbild in China – 4500 Kilometer lang, 70 Milliarden Bäume – habe die Gobi nicht aufgehalten, und die grüne Mauer in Afrika würde alle Versuche ersticken, der Wüste mit verbesserten Agrarmethoden Boden abzugewinnen. Andere fürchten das Gegenteil, das Gelingen des Plans: Eine grüne Sahara würde Heuschrecken in apokalyptischen Schwärmen anlocken. Und zu viel Grün könnte etwas überwuchern, das weit weg gebraucht wird: Wo sich einst der Megatschad dehnte, ist heute eine Megastaubquelle, die größte der Erde, die Bodélé-Senke. Was aus ihr nach Westen geblasen wird, düngt Amazonien, dessen Böden sind so karg, dass es mit den Regenwäldern ohne den Sahara-Staub wohl bald vorbei wäre.

Wie auch immer, Vögelchen werden sich vorerst weiter rüsten müssen, sie fressen sich vor dem Abflug fett und sparen dann Gewicht, wo sie können, etwa durch Schrumpfen des Darms. Das alles tun sie natürlich beim Rückflug auch, aber dabei schleppen viele, vor allem Weibchen, scheinbar überflüssiges Fett mit sich. Dessen Funktion hat Jenalee Holzschuh (Brockport) nun geklärt (The Auk 1. 6.): Weibchen, die bei der Ankunft im Norden noch Energiereserven in sich tragen, haben höhere Reproduktionserfolge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

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