Steuert der DAX auf ein Allzeithoch zu?

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Der deutsche Leitindex sei derzeit günstig bewertet, sagen die Analysten. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei zehn. Die Firmen profitieren von der Nachfrage aus Asien und der günstigen Zinssituation.

Wien. Die Staatsschuldenkrise und die Sorgen um die konjunkturelle Erholung haben die Aktienmärkte derzeit im Griff. Wertpapierinvestments waren schon einmal vielversprechender – auch, weil die Börsen in den vergangenen Wochen überaus volatil waren.

Den Kursschwankungen des heurigen Jahres konnte sich auch der deutsche Leitindex DAX nicht entziehen. Nach einem Anstieg zu Jahresbeginn sorgten die Katastrophen in Japan für einen weltweiten Dämpfer an den Börsen. Auch im DAX kam es zu starken Korrekturen. Der Aktienindex hat sich seit März dieses Jahres zwar wieder kräftig erholt. Seit Wochen geht es aber bloß in eine Richtung: bergab.

Dennoch konnte der DAX den österreichischen ATX heuer deutlich übertreffen. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die Dividenden der DAX-Konzerne eingerechnet werden. Anderseits sind Finanztitel im ATX deutlich übergewichtet: Dass sich Banken und Versicherungen in der nächsten Zeit auf höhere Eigenkapitalvorschriften einstellen müssen, verunsichert die Anleger.

Für den DAX dürfte dennoch Optimismus angesagt sein. Zumindest, wenn man den Analysten der Commerzbank Glauben schenkt. In einer jüngst veröffentlichten Analyse des Instituts wagen die Experten folgende Prognose: Der DAX könnte noch in der zweiten Jahreshälfte auf ein neues Allzeithoch von 8200 Punkten klettern. Derzeit steht der Index bei rund 7100 Punkten. Die Analysten stützten ihre Annahme auf mehrere Thesen.


Erstens: Die DAX-Firmen werden nach Ansicht des Instituts heuer mehr verdienen, als zu einem früheren Zeitpunkt erwartet worden war. Der Überschuss für 2011 dürfte 76 statt 74 Mrd. Euro erreichen. Vor allem die Nachfrage aus Asien stütze die positiven Gewinnerwartungen. Deutschland habe genau jene Produkte im Angebot, die nachgefragt werden, sagt Karl Huber, Fondsmanager bei Pioneer Investments. Dass der chinesische Aufschwung eine Eintagsfliege sei, glaubt Huber nicht. „Die Chinesen wollen Wohlstand“, sagt er. China werde daher langfristig ein Thema sein, auch wenn das Land da oder dort ein Bremsmanöver einlegen könnte.

„Deutschland ist vielleicht der Profiteur der Euro-Schuldenkrise“, meint auch Bernd Kiegler, Fondsmanager bei Raiffeisen Capital Management. Den Firmen würde nicht nur die asiatische Nachfrage, sondern auch die niedrigen Zinsen im Euroraum in die Hände spielen. Ginge es nach der deutschen Bundesbank, wären die Leitzinsen vermutlich schon eher angehoben worden, sagt Kiegler. Immerhin brummt der Konjunkturmotor. „Die Firmen sind trotz– oder gerade wegen– der Schuldenkrise in der Lage, sich günstig refinanzieren zu können“, fügt Huber hinzu.

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Zweitens: Der DAX ist derzeit relativ günstig bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei zehn. Dies ist auf die Schuldenkrise, die Entwicklung der US-Wirtschaft, die Katastrophe in Japan und die Unruhen in Nordafrika zurückzuführen. „Wenn man davon ausgeht, dass sich die Situation nicht verschlechtert, dann ist der DAX zu billig“, sagt Kiegler.

Weil die Dividenden nach Annahmen der Commerzbank heuer auf ein Rekordhoch von 28,1 Mrd. Euro steigen dürften, wird die Dividendenrendite im DAX 3,5 Prozent betragen. Sie würde damit über dem Zinssatz liegen, den zehnjährige deutsche Bundesanleihen abwerfen (rund 2,9 Prozent).

Drittens: Die Anleger sind derzeit eher pessimistisch und üben sich in Zurückhaltung. Gerade dieser Pessimismus ist es aber, der den Grundstein für einen Aufwärtstrend legen könnte, schreibt die Commerzbank. Auch Kiegler glaubt, dass der Zeitpunkt ein günstiger sei, um deutsche Aktien zu kaufen. „Aber die Risikowahrnehmung ist sehr geschärft, weil die wirtschaftliche Erholung unter den Erwartungen liegt.“ Kiegler glaubt zwar, dass dies nur eine vorübergehende Entwicklung sei– viele andere schließen sich dieser Meinung jedoch nicht an. Erst kürzlich hatte die US-Notenbank Fed ihre Prognosen für das US-Wirtschaftswachstum zurückgeschraubt.

Die Branchen Chemie, Industrie und Auto werden den DAX nach oben ziehen, glaubt die Commerzbank. RCM-Fondsmanager Kiegler kann sich für den Autobauer Daimler (DE0007100000) erwärmen. Die Nachfrage nach Mercedes in Asien sei hoch, das Auto ein Statussymbol. Zuschlagen würde Kiegler auch beim Autozulieferer Leoni (DE0005408884). Das Unternehmen hat sämtliche deutschen Autobauer als Kunden und kann von deren Absatzentwicklung profitieren. Auch für Kuka (DE0006204407)– die Firma stellt Industrieroboter her– kann sich Huber erwärmen. Der Kupferproduzent Aurubis (DE0006766504) sei ebenso interessant. Fondsmanager Huber von Pioneer Investments sieht United Internet (DE0005089031) oder den Glasspezialisten Gerresheimer (DE000A0LD6E6) positiv. Der Gasspezialist Linde (DE0006483001) sollte wiederum von einer Energiewende profitieren können.

Was Sie beachten sollten bei... deutschen Aktien

Tipp 1

Klumpenrisiko vermeiden. Österreichische Privatanleger greifen besonders gern zu österreichischen Aktien. Viele Anleger sind aber ohnehin stark an der Wiener Börse investiert, ohne dass sie das wissen– etwa über die geförderte Zukunftsvorsorge. Wer sich auch an anderen Märkten wie der Frankfurter Börse umsieht, mindert das Klumpenrisiko.

Tipp 2

Streuung. Während der Wiener ATX stark von Banken und Immobilienfirmen dominiert ist, befinden sich im Frankfurter DAX viele Industrietitel, die derzeit stark von der Nachfrage aus Asien profitieren. Sollte das Thema „Osteuropa“ für internationale Investoren wieder interessant werden, würde allerdings der ATX mehr profitieren.

Tipp 3

Einstiegszeitpunkt. Die Börsen sind seit Wochen im Abwärtstrend. Anleger sollten allenfalls einen Teil ihres Geldes investieren– und sofort aussteigen, falls es weiter abwärts geht. Derzeit bieten sich Autoaktien (die vom Aufschwung profitieren) eher an als etwa Bankaktien (denen jede schlechte Nachricht aus Griechenland zusetzt).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2011)

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