Warum sich Anleger mit Neuengagements zurückhalten

Warum sich Anleger mit Neuengagements bis zum Ende der Korrektur zurückhalten und aufgelaufene Gewinne realisieren sollten.

Abgezeichnet hat es sich ja schon länger: An dieser Stelle war schon im vorigen November zu lesen, dass eine größere Konsolidierung ansteht und dass wir die in der zweiten Jännerhälfte, spätestens aber im Februar sehen werden. Leicht möglich, dass der Startschuss dafür mit den beiden tiefroten Börsentagen Donnerstag und Freitag in der abgelaufenen Woche gefallen ist.

Mit den jüngsten scharfen Rückgängen an den wichtigen Börsen schauen die Charts nicht mehr so schön aus wie vor einer Woche. Noch ist in den Kurskurven der wichtigen Indizes nichts Entscheidendes passiert, aber das Wasser beginnt langsam, über die Dämme zu schwappen.

Die Charts sind aber jetzt nicht das Hauptproblem für Anleger. Dieses ist vielmehr der enorm giftige Mix, der sich fundamental zusammenbraut. In der Vorwoche ist beispielsweise bekannt geworden, dass die chinesische Wirtschaft deutlich langsamer wächst als angenommen. Zuletzt soll es sogar zu einem kurzfristigen Rückgang der Industrieproduktion gekommen sein. Ein in den vergangenen Jahren völlig undenkbares Bild. Dazu kommen gröbere politische Probleme mit ernsten wirtschaftlichen Auswirkungen in der Ukraine und in der Türkei – und in Argentinien ist die Währungskrise zurück. Der Peso erlebte diese Woche seinen größten Absturz seit der De-facto-Staatspleite im vorigen Jahrzehnt.

Das alles brachte die zuletzt immer wichtiger gewordenen Börsen der Emerging Markets unter extremen Druck: Allein in der Vorwoche wurden 2,5 Mrd. Dollar aus diesen Aktienmärkten abgezogen. Experten erwarten, dass der „Sell-off“ in den Emerging Markets noch ein Stück weiterläuft. Das kann unter Umständen sehr weit gehen: Im Sommer 2013 haben die Börsen in diesen Märkten 18 Prozent verloren. Derzeit steht der Verlust bei rund einem Viertel dieses Werts.

Diesem Abwärtstrend können sich die großen Weltbörsen kurzfristig auch nicht entziehen. Für die nächsten Wochen sieht es also eher düster aus.

Was macht man in dieser Lage als Anleger? Man schaut, dass man auf der sicheren Seite ist. Die Sache ist ins Rutschen geraten. Und niemand kann seriös sagen, wo die Lawine zum Stehen kommen wird, wenn sie einmal rollt.

Es ist also nicht falsch, erst einmal angelaufene Gewinne in die Scheune zu fahren. „Aussitzen“ ergibt für einen aktiven Anleger keinen Sinn. Er kann ja tiefer wieder einsteigen, wenn sich der Markt dreht. Die An- und Verkaufsspesen sind speziell im Online-Aktienhandel keine große Sache mehr.

Das gilt besonders für Aktien aus Emerging Markets einschließlich China. Da kommen sehr stark gestiegene Superaktien wie etwa die hier mehrfach empfohlene Jinko-Solar gerade recht heftig unter die Räder. Insgesamt kein Beinbruch, aber die bisher aufgelaufenen Supergewinne gehören erst einmal realisiert. Wer sich an die hier vehement vertretene Regel hält, mit sinnvollen Stop-Loss-Markierungen zu arbeiten, hat das ohnehin schon gemacht – sollte den Markt aber intensiv weiter beobachten. Es könnte nämlich durchaus sein, dass diese Papiere nach dem reinigenden Gewitter sehr rasch wieder durchstarten.

Neuengagements sind in der Anfangsphase einer Korrektur nicht sinnvoll. Experten meinen, dass die fällige Korrektur Kursrückgänge zwischen sieben und zehn Prozent bringen könnte. Und man muss ein Neuengagement ja nicht unbedingt gleich mit einem Verlust beginnen.

Die folgenden jüngsten Analystenempfehlungen sind (ebenso wie die in der Vorwoche hier ausgesprochenen Empfehlungen zur Beobachtung der 3-D-Druck-Aktien) unter diesem Aspekt zu sehen: Beobachten und erst bei Marktdrehung kaufen.

Positive Bewertungen hat in dieser Woche die Vorzugsaktie von Volkswagen(ISIN DE0007664039) bekommen. Commerzbank und Independent Research haben ihre Kursziele jeweils deutlich auf 235 Euro angehoben und Kaufempfehlungen abgegeben. Die Aktie gilt derzeit als sehr günstig bewertet. Am Freitag hat sie sich dem Abwärtstrend aber naturgemäß auch nicht entziehen können.

Positiv gestimmt sind die Analysten auch für den Halbleiterindustrie-Ausrüster ASML (ISIN NL0010273215), der am Freitag eine ganze Reihe von Kaufempfehlungen ausgefasst hat, und für den deutschen Biotech-Wert Morphosys(ISIN DE0006632003), der allerdings trotz einer Kurszielanhebung am Freitag (wie alle Biotechs) ziemlich schwer unter die Räder gekommen ist.

josef.urschitz@diepresse.comdiepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2014)

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