Der Draghi-Schock ist noch nicht das Ende der Börsenparty

Skeptischer Börsenhändler in Frankfurt: Wo ist die Weihnachtsrallye hin?
Skeptischer Börsenhändler in Frankfurt: Wo ist die Weihnachtsrallye hin?AFP
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Warum der Draghi-Schock noch nicht das Ende der Börsenparty ist, und wie TomTom seinen Kurs eindrucksvoll nach oben navigiert.

Die Überraschung ist durchaus gelungen: Am Donnerstag hat die EZB mit der Erhöhung des negativen Einlagenzinses und der Verlängerung der Anleihenkäufe bis ins Jahr 2017 zwar eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik geliefert, aber eben nicht in dem Ausmaß, in dem die Märkte dies erhofft hatten. Noch stärkere Negativzinsen und eine zusätzliche Ausweitung der monatlichen Anleihenkäufe (derzeit 60 Mrd. Euro) hatten die „Liquiditätsjunkies“ für angemessen gehalten.

Die Folgen kennen wir: ein Einbruch der Börsen mit Tagesverlusten, wie man sie schon lange nicht mehr gesehen hat. Und ein sprunghafter Anstieg des Gold- und Dollarkurses. Vor allem Letzteres war wohl das genaue Gegenteil dessen, was die EZB mit ihren Lockerungsmaßnahmen anstrebt.

Dass ein Teil der Aktienkursverluste gleich am Freitag in einer Gegenbewegung wieder kompensiert wurde (und der Euro, wie von den Europäern gewünscht, wieder ein bisschen nachgab), sollte jetzt nicht zu Fehlschlüssen verleiten: Diese Entwicklung trat erst am Nachmittag nach der Publikation relativ guter US-Jobdaten ein. Die Erholung kam also von der anderen Seite des großen Teichs.

Und wie geht es in Europa weiter? Mit der Weihnachtsrallye dürfte es jetzt wohl vorbei sein. Allerdings gehen die meisten Analysten davon aus, dass die Marktreaktion am Donnerstag überzogen war. Schließlich hat die EZB die geldpolitischen Zügel ja nicht angezogen, sondern gelockert. EZB-Chef Mario Draghi selbst hat angesichts des Kursmassakers gemutmaßt, die Märkte würden erst langsam realisieren, was die Euro-Notenbank wirklich beschlossen habe.

Anleger bleiben also gelassen und setzen jetzt keine überstürzten Aktionen. Weder nach oben noch nach unten. Wahrscheinlich wird es noch ein paar Tage turbulent zugehen. Schon deshalb, weil viele große Fonds Anfang Dezember schon langsam ans Schließen ihrer Bücher für das laufende Jahr denken und deshalb keine allzu großen Volumina mehr zustande kommen. Die zuletzt eher hochfliegenden Kursziele für das Jahresende sind also wohl Makulatur. Aber im ersten Halbjahr könnte es für die Börsen noch einmal ganz gut laufen, mutmaßen beispielsweise die Experten der Commerzbank. Liquidität ist ja weiterhin genug da.

Profitieren könnte davon eine an der Amsterdamer Euronext notierende Aktie, die in den vergangenen Tagen und Wochen eine recht spektakuläre Kursentwicklung aufs Euronext-Parkett gelegt hat. Nicht zuletzt deshalb, weil das dahinterstehende Unternehmen, der Navigationsspezialist TomTom (ISIN NL0000387058), ein paar spektakuläre Deals abgeschlossen hat. Etwa eine Kooperation mit dem globalen Taxidienst Uber und die Ausweitung seiner erfolgreichen Fahrzeugflotten-Managementplattform Webfleet nach Chile und Mexiko.

Besonders gut werden die Zukunftsaussichten eingeschätzt: Das hierzulande vor allem für seine Autonavis bekannte Unternehmen gilt als einer der führenden Spezialisten für digitale Karten – solche, wie sie für selbstfahrende Autos benötigt werden. Die Aktie war mit 28 Prozent Kurszuwachs auf Monatsbasis und 106 Prozent auf Jahresbasis schon jetzt kein Mauerblümchen, die neuen Aktivitäten dürften das Potenzial aber noch beträchtlich erhöht haben.

Umschauen könnte man sich auch ein wenig im chinesischen Solargeschäft, dessen Big Player den Weltmarkt ordentlich aufrollen. JinkoSolar haben wir an dieser Stelle schon behandelt. Die Aktie hat ihr Potenzial aber noch nicht so recht ausgespielt, Im Schatten von JinkoSolar macht nun der Konkurrent Trina Solar (ISIN US89628E1047) auf sich aufmerksam, der wie viele andere China-Aktien hierzulande als US-Aktienzertifikat (siehe ISIN) handelbar ist. Trina Solar hat wegen der Strafzölle auf chinesische Solarmodule in den USA und Europa zuletzt stark in Asien – etwa in Indien – expandiert.

Die Kursziele für das Papier liegen in der Gegend von 15 Dollar – und damit um knapp 50 Prozent über dem aktuellen Kurs. Die Aktie ist mit einem KGV in der Gegend von sieben recht billig. Allerdings gilt für Trina Solar das, was für alle chinesischen Solartitel gilt: Sie sind bei allen rosigen Aussichten extrem volatil und so gesehen nichts für Anleger mit schwachen Nerven, die immer auf eine stetige Aufwärtsentwicklung ihres Depots Wert legen.

josef.urschitz@diepresse.com

diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2015)

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