Tschechien: Das „geheiligte“ Bier

Eine tschechische Brauerei spottet über fremdes Bier – die andere wird bald an Ausländer verkauft.

Prag.Kaum etwas sei den Tschechen so heilig wie ihr Bier, ist immer wieder zu hören. Jüngste Analysen ergaben zwar, dass Tschechien nur darum zu den Ländern mit dem welthöchsten Pro-Kopf-Konsum des Hopfengetränks zähle, weil die zahlreichen Prag-Touristen dazu beitrügen. An der Qualität des tschechischen Biers soll es trotzdem nichts zu rütteln geben. Deshalb will Tschechien ähnlich wie vorher schon Bayern die Bezeichnung „Ceské pivo“ („Tschechisches Bier“) von der EU schützen lassen.

Deutsche Bier-Barbaren

Und fast schon etwas arrogant lässt man ausgerechnet die als Abnehmer wichtigen deutschen Nachbarn in einer Werbekampagne spüren, dass man sie in punkto Bierkonsum für ziemliche Barbaren hält, die erst von den Tschechen Bierkultur zu lernen hätten. Extra für ganz Deutschland außer Bayern (das dortige Reinheitsgebot für Bier scheint sogar tschechischen Ansprüchen zu genügen) lancierte die Brauerei „Plzenský Prazdroj“ („Pilsner Urquell“) in den vergangenen Wochen eine Werbekampagne für reines Qualitätsbier ohne Zusätze. In Anspielung auf deutsche (und österreichische) Neigungen zu fertig kaufbaren Variationen à la „Radler“ mit Zusatzgeschmack lästert die Kampagne „Ohne Lemon. Ohne Cranberry. Ohne Bullshit“ für reines Bier ohne Zusätze. In einem anderen Slogan wird der Gedanke sogar ethisch verbrämt: „Die Würde des Biers ist unantastbar“.

Wie sich die Kampagne auf den Konsum von tschechischem Bier in Deutschland auswirkt, ist noch unklar. In Tschechien selbst scheint sich die Huldigung des heimischen Bieres zu lohnen. Denn die Brauereien verzeichnen Rekordumsätze. Mit 20 Mio. Hektolitern wurde 2007 ein neuer Produktionsrekord aufgestellt.

Budvar vor dem Verkauf

Doch vor der Macht des Kapitals muss sich selbst der größte (Bier-)Patriot beugen. Die nationale Brauerei Budejovický Budvar („Budweiser“), die seit fast zwei Jahrzehnten gegen den US-Riesen Anheuser-Busch in Dutzenden internationalen Gerichtsprozessen um das Namensrecht für die Traditionsmarke kämpft, wird derzeit zum Verkauf an vermutlich ausländische Investoren vorbereitet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2008)

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