Slowakei: Ausbildung gegen Personalnot

Investoren warnen: Arbeitskräftemangel bedroht den Standort Slowakei.

Pressburg(tha). Paradoxer könnte das Urteil kaum ausfallen: Ausgerechnet ein drohender Arbeitskräftemangel bereitet den Investoren im Boom-Land Slowakei die größten Sorgen. Dabei verzeichnet der sonst mit seinen makroökonomischen Daten glänzende Tigerstaat Mitteleuropas die höchste Arbeitslosigkeit der Europäischen Union. Die Deutsch-Slowakische Industrie- und Handelskammer (DSIHK), Sprachrohr der Firmen aus dem wichtigsten Partnerland der slowakischen Wirtschaft, sieht durch das Fehlen von qualifizierten Arbeitskräften die Slowakei als attraktiven Investitionsstandort gefährdet. Die Kammer untermauert ihre Warnungen mit den Ergebnissen umfangreicher Befragungen unter deutschen, teilweise aber auch französischen und österreichischen Unternehmen, die in Summe mehr als ein Drittel der gesamten ausländischen Direktinvestitionen in der Slowakei repräsentieren.

Noch bis 2005 lobten ausländische Investoren das Angebot an gut qualifizierten und günstigen Arbeitskräften als großen Vorteil der Slowakei als Investitionsstandort. Das Land lockte daher vor allem expansionsfreudige Firmen aus den Bereichen Automobil, Maschinenbau und EDV an.

Bildungspolitik gefordert

Doch der Investitionsboom der letzten Jahre hat das Reservoir an gut Ausgebildeten rasch ausgeschöpft. Weil andererseits eine auf Arbeitsmarktbedürfnisse abzielende Bildungspolitik fehle, gebe es kaum Nachwuchs, warnen nun immer mehr Investoren. „Die Produktivität der Beschäftigten wächst zwar, aber trotzdem wird der Engpass an qualifiziertem Personal immer drückender“, konstatiert Michael Kern, der Geschäftsführer der DSIHK. Der Großteil der in der Slowakei tätigen Firmen will auch in Zukunft expandieren. Fast die Hälfte der deutschen Firmen in der Slowakei brauchen dafür aber auch mehr Personal. Schon 2007 klagten 60 Prozent der befragten Firmen über Probleme mit der Rekrutierung von Arbeitskräften. Die DSIHK mahnt dringende Maßnahmen auf dem Bildungssektor ein. Auch der Präsident der nationalen Slowakischen Handels- und Industriekammer (SOPK), Peter Mihók, hält ein Umdenken auf dem Bildungssektor für dringend notwendig: „Bildungspolitik und reales Leben laufen neben einander her, ohne sich jemals an einem Punkt zu treffen.“

In Übereinstimmung mit anderen Experten weist er darauf hin, dass sich die Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus der Slowakei in Zukunft eher verstärken als abschwächen dürfte. Eine von manchen erhoffte Kompensation durch Arbeitskräfte aus Rumänien und Bulgarien, für die der slowakische Arbeitsmarkt einschränkungslos geöffnet wurde, habe sich eher als Illusion erwiesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2008)

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