Den Slowaken stinkt der (fremde) Müll

(c) Die Presse (Christoph Thanei)
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In der Slowakei regt sich Widerstand gegen legale und illegale Mülldeponien. Das Land fürchtet, bei einer Liberalisierung des Marktes von europäischem Müll überschwemmt zu werden.

Bratislava. Auch österreichische Abfallsünder haben im vergangenen Jahr dazu beigetragen, dass das Thema Müll in unserem Nachbarland immer öfter die Emotionen hochgehen lässt. Erst im Sommer des Vorjahres füllten Berichte über illegal importierten Müll aus Österreich die Medien. Die illegale Entsorgung des teils gefährlichen Abfalls war in der Slowakei kostengünstiger als in Österreich. Seitdem häufen sich Petitionen, Demonstrationen und andere Proteste gegen geplante Deponien ebenso wie gegen abgasintensive oder laute Betriebe. Allmählich beginnt es immer mehr Slowaken zu stinken, wenn in ihrer Nachbarschaft gefährliche Altlasten entdeckt oder neue Mülldeponien geplant werden. Vor allem dann, wenn der dort zu lagernde Müll nicht ihr eigener ist.

Überdimensionierte Deponien

Für besonders großes Aufsehen sorgt schon seit einigen Wochen eine auf den ersten Blick ganz legal und korrekt geplante Mülldeponie in der Weinstadt Pezinok nahe Bratislava. Gegen das Projekt formte sich so heftiger Widerstand, dass inzwischen schon die Regierungspolitik erschüttert wurde. Beginnend von den Oppositionsparteien bis hin zum Regierungschef sah sich ein Spitzenpolitiker nach dem anderen veranlasst, mit einem Besuch vor Ort zu beweisen, dass ihm die Anliegen umweltbewusster Bürger wichtig sind.

Die Bewohner des idyllisch gelegenen Städtchens hatte zunächst nur auf die Barrikaden gebracht, dass die riesige Deponie nur vierhundert Meter von ihrem Wohngebiet entfernt errichtet werden sollte. Nächster Kritikpunkt war, dass die Deponie für Pezinok selbst weit überdimensioniert war, um vor allem den Müll aus der benachbarten Großstadt Bratislava aufnehmen zu können. Doch je mehr die riesige Deponie direkt neben dem Stadtgebiet zum landesweit beachteten Politikum wurde, zeigte sich, dass nicht nur ökologisch manches nicht mit ganz rechten Dingen zugegangen sein dürfte:

Die Stadt Pezinok hatte diesen Deponiestandort in ihrem Flächenwidmungsplan ausgeschlossen. Dennoch erteilte das (ranghöhere) Landesbauamt in Bratislava die notwendige Bewilligung, worauf auch das zuständige regionale Umweltinspektorat zustimmte.

Wenn der Vater mit dem Sohne

Als herausragendste Perle in diesem von mehreren Fragezeichen (wie z. B. verheimlichten Protokollen des Umweltinspektorats) gezierten Bewilligungsprozess sieht aber die empörte Stadtverwaltung von Pezinok einen klaren Interessenskonflikt: Chef der Landesbaubehörde, die die Bewilligung erteilte, ist nämlich Jan Man junior, dem das Grundstück selbst gehört. Und beantragt hat die Baubewilligung sein Vater Jan Man senior. Als formell ausreichend fanden beide, dass der Sohn selbst auf seinen Interessenskonflikt hinwies und deshalb die Entscheidung über die Baubewilligung nicht selbst fällte, sondern seinen Untergebenen überließ (deren Gehaltshöhe sich aber nach seiner Beurteilung richtet).

Abfallhaufen Europas?

Der Fall Pezinok ist aber nur ein Highlight für zahlreiche andere Beispiele von Widerstand gegen legale und illegale Abfalldeponien, die seit dem Sommer vorigen Jahres die Medien füllen. Die damals wochenlang anhaltende Medienberichterstattung über illegal importierten österreichischen Müll, der in der Slowakei abgeladen werden sollte, hat offensichtlich eine breitere Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren begonnen. Als der Müll aus Österreich allmählich immer spärlicheren Stoff für neue Enthüllungen hergab, tauchten dafür immer mehr Berichte über bis dahin wenig beachtete illegale Mülldeponien im ganzen Land auf. Und auch gegen legale Deponierungen regte sich immer heftigerer Widerstand. So warnten die Medien davor, dass im Zuge des Wegfalls der Grenzkontrollen und EU-weiter Marktliberalisierungen die Slowakei zum billigen Abfallhaufen Europas werden könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2008)

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