Energie: Gazprom besinnt sich aufs Bohrloch

(c) AP (MISHA JAPARIDZE)
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Mit 65 Mrd. Dollar soll der Rückgang der Ölförderung gestoppt werden.

Moskau. Zwei Milliarden Dollar (1,26 Mrd. Euro) will der halbstaatliche russische Gasmonopolist Gazprom über Euro-Obligationen hereinholen. Die dazugehörende Werbetour (Roadshow) beginnt noch diese Woche. Im dazu verfassten Memorandum, das die russische Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ einsah, erklärt der Konzern nun erstmals, in den Jahren 2009 bis 2010 die Rekordsumme von 65 Milliarden Dollar investieren zu wollen. Auch verspricht er, von großen Zukäufen, wie sie in den letzten Jahren getätigt worden sind, künftig Abstand zu nehmen und sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren.

Gasvorräte stagnieren

Gerade im letzten Jahr hat der weltweit größte Gaskonzern mit großen und umstrittenen Zukäufen von sich reden gemacht. So wurde Royal Dutch Shell gezwungen, die Mehrheit am weltgrößten Gasförderprojekt Sachalin-2 für 7,45 Milliarden Dollar an Gazprom abzugeben. Dazu übernahm Gazprom Anteile am Energieproduzenten Mosenergo und nahm Kredite im Wert von 303,6 Mrd. Rubel (8,6 Mrd. Euro) auf. Gazprom handelte sich damit den Vorwurf ein, sein Kerngeschäft zu vernachlässigen. Tatsächlich hat der Rohstoff-Riese hier bereits Probleme. Dass die Förderung im Vorjahr erstmals seit fünf Jahren, und zwar um 1,3 Prozent auf 548,6 Mrd. Kubikmeter, zurückging, begründete der Konzern zwar noch mit dem warmen Wetter. Dass aber auch erstmals seit fünf Jahren nur noch die Ölvorräte, nicht aber die Gasvorräte zunehmen, wird nun im Memorandum zugegeben. Künftig sollen die Finanzinvestitionen stark gekürzt, die Kapitalinvestitionen aber so hoch wie nie sein, gibt „Wedomosti“ die Denkschrift wieder.

Höchste Zeit, meinen Analysten. Schon im Vorjahr hatte ein interner Bericht des Energieministeriums einen erstmals leichten Gasmangel für heuer angedeutet. Das Moskauer Institut für Energiepolitik erwartet für 2010 gar einen Engpass von 100 Milliarden Kubikmeter (mehr als zehn Mal der jährliche Gasverbrauch Österreichs). Laut Ministeriumsbericht müsste Gazprom bis 2011 etwa 235 Mrd. Euro investieren, um die Versorgungslücke zu schließen. Das Problem seien nicht die nachgewiesenen Vorräte (29,79 Billionen Kubikmeter), die für 50 Jahre reichen, meint der Analyst der IFK „Solid“ Denis Borisow: Das Problem sei das Finden neuer Absatzmärkte und die Inbetriebnahme neuer Förderprojekte.

Den Rückgang der russischen Förderung hat Gasprom zuletzt durch intensivere Zukäufe in Zentralasien kompensiert. 64,2 Mrd. Kubikmeter wurden dort im Vorjahr erworben, um knapp zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Das noch relativ billige zentralasiatische Gas wird an die Ukraine verkauft. Gazprom selbst macht sein großes Geschäft in Westeuropa. Dort wird in Anlehnung an den Ölpreis mittlerweile weit über 300 Dollar für 1000 Kubikmeter gezahlt. Knapp ein Drittel der gesamten Fördermenge des Gasmonopolisten wird nach Westeuropa exportiert. Der Rest muss angesichts der einheimischen Preisregulierung bislang billig zu Hause verkauft werden. Den Nachbarstaaten versucht Russland, sukzessiv höhere Preise zu diktieren.

Nord Stream wird teurer

Für einen sicheren Export auf den lukrativen europäischen Markt hat Gazprom zwei Pipelineprojekte in Arbeit: South Stream und Nord Stream. Für die zeitlich greifbarere Nord Stream hatte der Konzern bislang keine genaue Kostenangabe vorgelegt. Von fünf bis sechs Milliarden Euro war die Rede. Im Memorandum spricht Gazprom nun von einer Verteuerung auf 7,4 Milliarden Euro. Das Projekt wird aber nicht nur teurer, es dürfte sich zudem auch verzögern. Denn noch stehen Übereinkünfte mit den skandinavischen und baltischen Anrainerstaaten aus, der Baubeginn rückt in immer weitere Ferne. Vor Kurzem wurde der Sommer 2009 genannt. An Nord Stream sind neben Gazprom auch die deutschen BASF, E.On und die holländische Gasunie beteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2008)

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