Russlands Kasinos flüchten in den Hinterhof

(c) AP (JENS MEYER)
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Die Spielstätten werden aus den Städten verbannt, sie gehen ins Ausland oder in die Illegalität.

Moskau/Wien. In Moskau, wo heute noch an die 2000 Spielkasinos betrieben werden, soll in gut einem Jahr kein Rubel mehr auf den Roulette-Tischen oder in Glücksspielautomaten verschwinden. Ein Gesetz sieht vor, die Spielstätten aus den Städten zu vertreiben und in vier Sonderzonen fernab der Metropolen einen geregelten Betrieb neu aufzubauen. Russische Betreiber wehren sich gegen den aufgezwungenen Exodus und ziehen die Sinnhaftigkeit des Gesetzes in Zweifel.

Ein Grund für die Neuordnung des Marktes ist die grassierende Spielsucht in Russland. Über drei Millionen Russen gelten als abhängig vom Adrenalinkick in den Glückstempeln. Ihre Zahl soll durch das Gesetz auf ein Drittel reduziert werden. Neben der sozialen Komponente soll auch das zweite große Problem der russischen Glücksspielszene entschärft werden. Die stehe nämlich der Kriminalität sehr nahe, sagt Alexei Mukhin, Leiter des Zentrums für politische Information in Moskau. „Traditionellerweise waren viele Kasinos eine große Maschinerie für Geldwäsche“, sagt er.

Zahnloses Gesetz

Legale Kasinos werden das ab Juli 2009 in Moskau zumindest nicht mehr im Lichte der Öffentlichkeit tun können. Doch gegen illegale Spielautomaten-Keller scheint auch das neue Gesetz zahnlos. Müssen die Kasinos die Städte komplett räumen, würde sich die Szene nur in den Untergrund verlagern, warnt Larisa Shishkina, Sprecherin der russischen Ritzio Entertainment Group, dem größten Spielautomatenbetreiber Osteuropas, der großen Wert auf die Transparenz seiner Organisation legt.

Casinos Austria interessiert

Auch die Casinos Austria sind wegen steigenden Drucks aus der Moskauer Unterwelt im Jahr 1993 vom russischen Markt abgezogen. Bis dahin war der Konzern mit drei Kasinos in der Millionenstadt präsent. Die angekündigte Schaffung eines russischen Las Vegas in Wladiwastok, Jekaterinburg, Krasnodar/Sotschi und Kaliningrad weckt das Interesse des heimischen Konzerns wieder. „Gibt es am Markt endlich klare Rahmenbedingungen, ist das natürlich interessant“, sagt Martin Himmelbauer, Sprecher der Casinos Austria auf Anfrage der „Presse“. „Das Wachstumspotenzial ist gewaltig.“ 2006 setzte die Branche fünf Milliarden Euro um, das Einkommen der russischen Oberschicht wächst beständig. Bislang sei die Infrastruktur in den geplanten Spielstätten aber noch nicht ausreichend ausgebaut, sagt Himmelbauer. Daher beschränke sich das Engagement der Casinos Austria auf eine Beratungsfunktion für Russland. Es gäbe zwar Anfragen wegen möglicher Standorte, spruchreif sei bis dato noch nichts.

Brot statt Spiel-Jetons

Die beiden größten russischen Glücksspielkonzerne, Ritzio und Storm International kündigten aus Protest gegen das Gesetz an, sich gar nicht für neue Lizenzen bewerben zu wollen. Sie fordern, dass zumindest in Hotels und eigens errichteten Spielstätten weiter gespielt werden darf. Ritzio setzt auf eine Zukunft außerhalb des Landes. Um 500 Mio. Dollar (323,5 Mio. Euro) will der Konzern Glücksspielketten in Europa und Lateinamerika kaufen.

In Russland will OIeg Boyko, der russische Milliardär und Eigner der Ritzio Entertainment Group künftig auf Supermärkte umsatteln. Mit seiner Finstar Holding ist er schon heute als Einzelhändler in Kasachstan und Russland tätig. Im vergangenen Jahr sorgte Ritzio mit 1,6 Mrd. Dollar noch für mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes der Holding.

Auf einen Blick

Mitte 2009 gibt es nur noch in vier entlegenen russischen Regionen Spielkasinos. Die Branche wehrt sich gegen die Verbannung aus den Städten.

■Betreiber fürchten, dass die Szene in die Unterwelt abrutschen werde und wollen ihre Geschäfte ins Ausland verlagern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2008)

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