Alexej Miller: Der Mann am Gashahn

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Was westliche Verbraucher ängstigt, freut Alexej Miller. Das teure Gas macht ihn und seinen Konzern immer mächtiger. Zwar bemüht sich der Gazprom-Chef um ein besseres Image im Westen – bisher jedoch vergeblich.

Moskau. Mit seiner Ansage, der Ölpreis werde „250 Dollar in absehbarer Zeit“ erreichen, legte Alexej Miller, der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Gaskonzerns Gazprom, der westlichen Welt eine unliebsame Prognose vor. Miller käme das mehr als nur gelegen: Da der Erdgaspreis an jenen für Erdöl gekoppelt ist, käme das einer Verdoppelung der Preise gleich – und damit einer deutlichen Steigerung der Gazprom-Umsätze.

Miller will erst gar nicht beruhigen. Der Westen solle nicht versuchen, in Russlands ressourcenreichem Hinterhof Zentralasien eigene Interessen zu verfolgen. Und mit dem Protektionismus gegen Gazprom-Investitionen in der EU säge „Europa am Ast, auf dem es sitzt“. Gazprom macht den Menschen in Europa Angst.

Gas wird ständig teurer, und das Gefühl macht sich breit, von einem Kraken abhängig zu sein. Zwar versucht der Konzern mit aufwendigen Imagekampagnen dagegen anzugehen. Doch Miller, das Gesicht der russischen Gaswirtschaft, ist kaum der geeignete Mann, die Verbraucher in Westeuropa zu beruhigen.

Vom Naturell her ist der 46-Jährige alles andere als ein ungezwungener Mensch. Sein ernster Charakter verhindert Emotionsausbrüche. Nur als er für Gazprom „in sieben bis zehn Jahren“ einen Börsenwert von einer Billion Dollar (638 Mrd. Euro) vorhersagte, huschte ein Lächeln über sein sonst ausdrucksloses Gesicht.

Enge Bande zu Putin

Miller hat zwar nichts mit amerikanischen Vorstandschefs gemein, die oft Animateur und Showstar in einem sind. Dafür ist er einer der mächtigsten Männer in Russland. Der Höhenflug von Gazprom ist zum Inbegriff des Wirtschaftsaufschwungs geworden. Betrug die Marktkapitalisierung 2001, als Miller den Job antrat, noch zehn Mrd. Dollar, liegt sie heute bei 336 Mrd. Dollar. Gazprom verfügt über 17 Prozent der nachgewiesenen globalen Gasreserven und produzierte 2007 mit 548,5 Mrd. Kubikmetern ein Fünftel der weltweiten Fördermenge.

Der Gazprom-Aufstieg ist mit Miller verbunden. Und Miller mit Wladimir Putin. Angeblich hatte der Ex-Präsident und jetzige Premierminister in den 90er-Jahren nur wenige enge Freunde. Einer von ihnen war Miller. Mit ihm arbeitete Putin im Petersburger Stadtkomitee für wirtschaftliche Auslandsbeziehungen. Die beiden müssen sich Treue geschworen haben, Miller wich nicht mehr von Putins Seite. 2001 hievte Präsident Putin Miller an die Gazprom-Spitze. „Ein Mann, der mein Vertrauen hat und unternehmerische Erfahrung besitzt“, sagte Putin damals.

„Spätestens in einem Monat nimmt sich Miller den Strick“, ließ hingegen der Vorgänger bei Gazprom, Rem Wjachirew, im kleinen Kreis fallen. Schließlich beschränkte sich Millers Führungserfahrung auf kleinere Unternehmen.

Seine Biografie ist typisch für die neurussische Beamtenkaste. Nach der Schule folgte ein Studium am finanzökonomischen Institut in Leningrad. Überall erhielt der schüchtern wirkende Mann mit dem rotblonden Haar beste Bewertungen. Ordnungssinn und Loyalität sollen Putin an Miller gefallen haben. „Ein passabler Beamter, der ideale Stellvertreter“, sagt ein Weggefährte.

Doch aus dem prognostizierten Selbstmord wurde nichts. Miller scheiterte nicht an der Größe. Stattdessen hat er zielstrebig Putins Auftrag umgesetzt. Der Konzern ist wieder unter den Fittichen des Kremls. Außerdem räumte Miller rüde die alte Garde um Wjachirew ab. Der züchtet heute Hühner, während Miller so mächtig ist wie nie zuvor.

Hybris ist die Folge. So macht Miller knallhart russische Außenpolitik, wenn er am Erdgashahn dreht, um bei Nachbarn wie Weißrussland und der Ukraine höhere Gaspreise durchzudrücken.

Ein Mittagessen mit 25 EU-Botschaftern in der österreichischen Vertretung in Moskau sorgte im April 2006 für Schlagzeilen: „Wenn man uns nicht in Europa expandieren lässt, dann liefern wir unser Gas eben nach China und in die USA“, drohte der Putin-Intimus. Damit die verdutzten Diplomaten keine Fragen stellen konnten, redete er zwei Stunden ununterbrochen, erhob sich und ging. Beim russischen Wirtschaftsforum Anfang Juni wohnte Miller dem Diskussionsklub der Chefs der internationalen Ölgesellschaften nur eine Viertelstunde bei und verabschiedete sich. Miller sei sehr beschäftigt, entschuldigte der Moderator.

Charme-Offensive misslungen

Tatsächlich hat der Gazprom-Chef viel Arbeit vor sich. Der Konzern mit seinen fast 400.000 Mitarbeitern hat es versäumt, neue Förderstätten in der Arktis oder Ostsibirien zu erschließen. Bei den alten Feldern sinkt die Fördermenge. Die steigende Nachfrage kann Gazprom nur bedienen, indem es billiges Gas aus Zentralasien kauft. Auch gestaltet sich der Bau neuer Exportrouten nach Europa schwierig. Bei der Ostseepipeline Nord Stream zeigen sich die Anrainerstaaten widerspenstig.

Auch wenn Miller westliche PR-Agenturen anheuert und den FC Schalke 04 sponsert: Der Imagewandel gelingt nicht. Gazprom bleibt für viele der Konzern, der aus der Kälte kam, ein undurchschaubares Konstrukt. Miller, der an der Gazprom-Spitze Medienberichten zufolge jährlich sieben Mio. Dollar verdient, kam in seiner Amtszeit nur einmal wirklich in Bedrängnis. Das war 2007, als ihm eine schwere Nierenerkrankung zu schaffen machte. Doch er kam zurück. Sein Vertrag läuft bis 2011.

Wichtiger dürfte für Miller jedoch sein, wie sich sein Verhältnis zu den beiden ersten Männern Russlands gestaltet: Sowohl für Premier Putin als auch für Präsident Dmitri Medwedjew ist Gazprom Macht pur. Und Miller der verlängerte Arm zum Erdgashahn.

Auf einen Blick

Alexej Miller steht seit sieben Jahren an der Spitze des russischen Monopolisten Gazprom.

Der 46-Jährige gilt als zurückhaltender Mensch. Seine Position verdankt er den guten Kontakten zu Wladimir Putin.

Der Kreml wiederum hat in ihm einen treuen Diener, der politischen Argumenten der russischen Spitze mit einem Griff zum Gashebel Nachdruck verleihen kann.

Mit Gazprom steht Miller eine schwierige Zeit bevor. Die Förderkapazitäten sinken, das Ansehen des Staatskonzerns ist (gerade in Europa) trotz intensiver PR immer noch am Boden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2008)

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