Georgien: Die Kosten des Krieges

georgisches Ehepaar
georgisches Ehepaar(c) EPA (MAXIM SHIPENKOV)
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Nachdem die Kampfhandlungen in Georgien und Südossetien zu Ende sind, zählen die Kriegsteilnehmer Russland und Georgien den wirtschaftlichen Schaden und die Kosten des Waffenganges.

Tiflis/Moskau. Die gute Nachricht: Durch Georgien fließt wieder Öl, keine Pipeline ist zerstört. Am Montag wurde der Betrieb über die Pipeline BTC, die von Aserbaidschan über Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan führt, wieder aufgenommen. Mit Monatsbeginn war die Leitung gesperrt worden – wegen einer Explosion in der Türkei, wohlgemerkt. Der Krieg in Georgien aber hatte die Wiederinbetriebnahme verzögert. Knapp eine Mio. Barrel respektive ein Prozent des Weltölverbrauchs werden täglich über BTC exportiert. Wenn auch die Ausfuhr über Georgiens Schwarzmeerhäfen wieder funktioniert, kommen nochmals eine halbe Million Barrel dazu.

Schaden: Ein Fünftel des BIP

Angesichts des Abzuges der russischen Truppen aus Kerngeorgien gehen beide Kriegsteilnehmer daran, die Schäden und Kriegskosten zu schätzen. Für das kleine Georgien sind die direkten wirtschaftlichen Schäden unvergleichlich größer als für Russland. Hinsichtlich einer indirekten Auswirkung, sprich wirtschaftliche Verlangsamung, einer Drosselung von Investitionen und eines Kapitalabflusses lassen sich die Schäden noch schwer abschätzen.

Russland hat nicht nur die teuer aufgebaute georgische Streitmacht dezimiert. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili sagte zur „Financial Times“, Russland habe auch die Infrastruktur und das Vertrauen der Investoren zerstört. Der Schaden für die Infrastruktur belaufe sich auf zwei Mrd. Dollar (1,4 Mrd. Euro). Die Bank of Georgia spricht von etwa einer Mrd. Dollar. Stimmen Saakaschwilis Angaben, wäre dies ein Fünftel der georgischen Wirtschaftsleistung des Jahres 2007. Binnen weniger Monate könnten die Schäden behoben werden, sofern es gelinge, die Investoren zu beruhigen, meinte Saakaschwili. 2007 hatte Georgien mit Rekordwachstumsraten von zwölf Prozent geglänzt. In den letzten drei Wochen aber standen viele Sektoren still.

Krieg schadete auch Russland

Bei den Schäden ist Südossetien nicht mitgerechnet. Für die von Georgien abtrünnige Republik fühlt sich dem Gebaren nach ohnehin bereits Russland zuständig. Über eine Mrd. Dollar Schäden hätte die georgische Aggression in Südossetien verursacht, sagte Russlands Premier Wladimir Putin. Russland werde in einem Soforthilfeprogramm 9,5 Mrd. Rubel (260 Mio. Euro) und mittelfristig 16 Mrd. Rubel in den Wiederaufbau des landwirtschaftlich dominierten Südossetien pumpen.

Offiziell hat der Krieg von 8. bis 12. August gedauert. Wie das russische Zentrum für Strategieanalyse (AST) angibt, hätten allein die Militärausgaben inklusive Evakuierung und Versorgung der Flüchtlinge für Russland täglich 2,5 Mrd. Rubel betragen. Schaden und Verluste von militärischem Gerät seien nur in dem sehr bescheidenen Ausmaß berücksichtigt, in dem das russische Verteidigungsministerium Angaben darüber gemacht hat. Auch aus Georgien fehlen genauere Angaben. AST schätzt für die vier Kriegstage 4,8 Mrd. Rubel Kosten für Georgien täglich, den Schaden an ziviler Infrastruktur eingerechnet. Letztere wurde aber auch nach dem offiziellen Kriegsende weiter zerstört.

Die Kriegsereignisse haben nicht nur Investoren in Georgien verschreckt, das sich in den letzten Jahren zum Muster-Reformland gemausert und angesichts seiner Kleinheit stattliche 5,5 Mrd. Dollar ausländischer Direktinvestitionen angezogen hatte. Auch der russische Finanzminister Alexej Kudrin vermeldet für die Zeit der Kriegshandlungen einen Kapitalabfluss von sieben Mrd. Dollar brutto. Darum werde der reine Kapitalzufluss heuer unter den prognostizierten 30 bis 40 Mrd. Dollar bleiben. Viele Investoren begannen wieder politische Risken abzuwägen, die sie zuvor überhaupt nicht in Betracht gezogen haben, sagt Jewgeni Gawrilenkow, Chefökonom beim Investmenthaus Trojka Dialog. Jaroslaw Lisowolik von der Deutschen Bank meint, dass schlimmstenfalls die Direktinvestitionen um 30 bis 40 Prozent abnehmen, was zu einer Verlangsamung des zuletzt siebenprozentigen Wirtschaftswachstums um 0,4 bis 0,5 Prozent führt. Russlands Wirtschaft kann diese Folgen verdauen – es sei denn, der Westen macht Ernst mit Drohungen, Russland nicht in die Welthandelsorganisation WTO zu lassen, die Vergabe von Olympia 2014 an Sotschi in Frage zu stellen oder die Spiele zu boykottieren. Führende amerikanische Politikberater warnen aber davor, da man politische Gegenreaktionen seitens Russlands befürchtet.

Auf einen Blick

Ein Fünftel von Georgiens BIPdürfte der kurze Krieg mit Russland vernichtet haben.

Bei den Kämpfen starben laut Deutscher Presseagentur 1771 Menschen: 1492 südossetische Zivilisten, 64 russische Soldaten, 146 georgische Soldaten sowie 69 georgische Zivilisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2008)

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