Am Balkan beginnt das große Zittern

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central bank sarajevo(c) REUTERS (DANILO KRSTANOVIC)
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Auch krisenfeste Länder Südosteuropas werden von wankenden Nachbarn getroffen.

Belgrad. Ob in Sarajevo, Belgrad, Bukarest oder Sofia: An beschwörenden Beschwichtigungsformeln lassen es die Währungshüter auch in den wachstumsstarken Staaten Südosteuropas nicht mangeln. Die Spareinlagen bei den heimischen Bankinstituten seien ebenso sicher wie die eigene Währung, versprechen in diesen Tagen Nationalbankdirektoren und Finanzminister im vielstimmigen Chor.

Tatsächlich hat sich der Balkan bislang gegen das Virus der Bankenkrise erstaunlich immun gezeigt. Die eher schwache Integration in die internationalen Finanzmärkte und die wie in Serbien vergleichsweise hohen Sicherheitsreserven der Banken machen Analysten dafür verantwortlich, dass die meisten Staaten der Region sich relativ ungeschoren durch die Krise schummeln konnten.

Doch nicht nur die Probleme in angrenzenden Staaten wie Ungarn und der Ukraine und die traumatischen Erfahrungen mit der Hyper-inflation im früheren Jugoslawien Anfang der 90er-Jahre lassen Anleger zunehmend nervöser werden. Indirekt bekommt die Wachstumsregion die Folgen der Finanzkrise schon jetzt schmerzhaft zu spüren.

Die Börsenindizes und Währungskurse sind auch in den Finanzzentren des Balkans schon seit Tagen im Tiefflug. So verlor der serbische Dinar innerhalb von zwei Wochen trotz mehrmaliger Stützungskäufe der Nationalbank über acht Prozent seines Wertes.

Starker Heimmarkt als Schutz

Statt Dinar auf der Bank, werden nun „sichere“ Währungen wie Euro, Dollar oder Schweizer Franken unter Matratzen gebunkert. Während der Kursverfall der nationalen Währungen die hohen Inflationsraten weiter anheizt, macht der Wertanstieg der Leitwährungen Eigenheimbesitzer und Kleinunternehmern zu schaffen: Wegen der niedrigeren Zinssätze haben sie ihre Kredite meist in Euro oder Franken aufgenommen.

Da das Wachstum der letzten Jahre in den meisten Staaten eher durch Binnennachfrage als durch Export erzielt wurde, ist ein drastischer Konjunktureinbruch als direkte Folge der Finanzkrise nach Ansicht von Analysten kaum zu erwarten. So erwarten Analysten der Ersten Bank beispielsweise, dass Rumänien mit dem großen Heimatmarkt und einer stark abgeschotteten Volkswirtschaft von einer schwächeren Auslandsnachfrage weniger stark getroffen werden wird.

Doch die hohen Defizite in der Handelsbilanz und dem Staatshaushalt dürften sich mit der Verteuerung der Kredite weiter vergrößern. Wegen der hohen Staatsverschuldung könnten nach Ansicht des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche Länder wie Bulgarien, Rumänien oder Kroatien bei einem Anhalten der Finanzkrise in ähnliche Probleme wie Ungarn schlittern.

Ein Absinken der Ausfuhren ist als Folge der internationalen Finanzkrise auf dem Balkan ebenso zu erwarten wie ein Rückgang der gerade für Transformationsstaaten enorm wichtigen Auslandsinvestitionen. Bulgariens Finanzministerium rechnet mit dem Rückgang der Auslandsinvestitionen um 20 Prozent. Auch bei den noch anstehenden Privatisierungen der letzten Staatsunternehmen sind wohl kaum mehr die satten Erlöse der vergangenen Jahre zu erzielen. Die rosigen Zeiten der Privatisierung seien vorbei, warnt Serbiens Notenbankchef Radovan Jelasic: Die Regierung werde bei den Haushaltsplanungen wesentlich „restriktiver“ sein müssen.

Serbien beim IWF: Kein „Notfall“

Schadensbegrenzung und die Vermeidung von Panikreaktionen von Kleinanlegern ist für die Währungshüter nun das erste Gebot, um ein Überschwappen der Finanzkrise auf den Balkan zu verhindern. Die Erhöhung der vom Staat geschützten Sparguthaben haben in den letzten Tagen bereits Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Rumänien, Serbien und Montenegro angekündigt.

Serbien hat zudem den Internationalen Währungsfonds (IWF) um ein neues Abkommen gebeten. Es handele sich bei dem Gesuch im Gegensatz zu Ungarn keineswegs um einen „Notfall“, versichert Belgrad: Die Regierung wolle nur die langfristigen Sicherheiten für Investoren erhöhen. Ob die heimischen Banken die Krise ohne Staatshilfen überleben könnten, hänge von deren Dauer ab, so Bosko Zivkovic, Ökonomieprofessor an der Universität Belgrad: „Wenn die Krise schnell endet, werden Hilfen vermutlich nicht nötig sein. Doch es ist schwer vorherzusagen, was geschieht, falls sie sich noch verschärft.“

auf einen blick

Mit einiger Verspätung trifft die Finanzkrise nun auch die Länder Südosteuropas voll.
Die lokalen Währungen sind im Sturzflug, die Regierungen mühen sich, Vertrauen zu schaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2008)

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