Rumänien: Aus dem Ausland in den Reichtum

(c) AP (Petar Petrov)
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Einst Exilanten, heute neureich in Rumänien, wetteifern sie um die prunkvollsten Dächer auf ihren Villen.

Hunedoara. Die Kamine der Hochöfen schmauchen in Rumäniens einst größter Metallstadt längst nicht mehr. Jahrelang vegetierte Hunedoara (Eisenmarkt) in trister Agonie vor sich hin. Doch inzwischen künden in der Industriestadt nicht nur neue Betriebe in lange verwaisten Werkshallen vom späten Aufbruch in hoffentlich bessere Zeiten. Ausgerechnet wohlhabende Angehörige jener Volksgruppe, die in dem Vielvölkerstaat in der Regel in den kärglichsten Baracken haust, haben der Stadt nun ein neues Luxusviertel beschert. Im Streit um die schönste Villa scheuen neureiche Roma weder Mühen noch Mittel: Mit glitzernder Schmiedekunst wetteifern sie um das eindrucksvollste Dach.

Reiche Roma aus dem Ausland

Hell blitzen und blinken vierstöckige Stufendächer auf bunten Erkern und Fassaden im Vorort Hasdat in der Morgensonne. Mit blechernen Fahnen, Fischen oder Sonnen sind die Regentraufen verziert, die sich kunstvoll von den silbrig schimmernden Dächern winden. Die Edelmetalle in den angrenzenden Bergen haben die Roma einst in die Region von Hunedoara gelockt: In Transsylvanien (Siebenbürgen) eilt ihnen bis heute der Ruf kunstfertiger Kupferschmiede voraus. Doch ihr Vermögen haben sich die Besitzer der neuen Prunkbauten keineswegs mit ihrem Traditionshandwerk in der Heimat verdient. Bis vor wenigen Jahren habe es derartige Paläste noch nicht gegeben – und hätten Roma auch in seiner Stadt in baufälligen Siedlungen gehaust, berichtet der in der Stahlstadt geborene Student Robert. Die meisten seien noch immer arm: „Aber einige haben es offenbar im Ausland zu Wohlstand gebracht.“

Eine dunkel schimmernde Jaguar-Limousine ist vor der Baustelle der „Vila Ciaplin“ geparkt. Ihre Eltern hätten in den USA und Großbritannien gearbeitet – und damit die Basis für ihren heutigen Reichtum gelegt, erzählen zwei Schulkinder freimütig vor der „Vila Duda“: Wir wollen da auch mal arbeiten – und Geld machen.

Ein Pferdefuhrwerk trottet auf der Hauptstraße an der frisch getünchten Vila Piedone vorbei. Klar könne man sein Werk fotografieren – und natürlich auch begutachten, bittet ein grauhaariger Handwerksmeister mit einladender Geste auf seine Baustelle. Die kahle Betonfreitreppe werde mit rumänischem Marmor verschalt, berichtet der redselige Baumeister mit der blauen Latzhose stolz. Die Dächer seien aus einer wetterbeständigen Aluminium-Metall-Mischung gefertigt. Dies sei bereits die dritte Villa, die unter seiner Leitung errichtet werde. „Was der eine Nachbar hat, will der andere auch“, erklärt er die rasche Ausbreitung des Dächerviertels.

Fotos gegen Bakschisch

Angesprochen auf seine Auftraggeber verdüstert sich die Miene des Mannes mit dem Kugelbauch. Zu wenig würden sie ihm bezahlen – und wie sie in Italien oder Irland zu ihren Vermögen für ihre fürstlichen Residenzen gekommen seien, wolle er lieber nicht wissen: „Ich verdiene mein Geld wenigstens mit ehrlicher Arbeit.“

Woher der Wohlstand auch stammen mag: Trotz des neuen Reichtums haben die Herrscher der Prunkdächer von Hunedoara ihren Geschäftssinn keineswegs verloren. Wie indische Maharadschas dösen drei füllige Damen in farbenfrohen Gewändern auf der Freitreppe der „Vila Huzulo“ in der Herbstsonne. Die Anfrage, ob man ihren Palast fotografieren dürfe, beantworten sie mit einer Gegenfrage: „Wie viel wollt ihr zahlen?“ Der Einwand, dass die Besitzer einer solch prunkvollen Behausung wohl kaum auf ein Foto-Bakschisch angewiesen sein dürften, lässt die geschäftstüchtigen Hausherrinnen kalt: „Glaubt ihr denn, dass wir nicht noch mehr Geld gebrauchen könnten?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2008)

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