Kreditkrise: Russland droht Rubel-Abwertung

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Zehn Jahre nach der letzten Krise kann Moskau den Wertverlust seiner Währung wieder nicht stoppen. Um 30 Prozent könnte der Rubel laut Experten bald abwerten.

MOSKAU/WIEN (Bloomberg/go). Die drittgrößten Fremdwährungsreserven der Welt scheinen der russischen Regierung nicht mehr zu helfen, um dem Verfall des Ölpreises und der gleichzeitigen Flucht ausländischer Kapitalgeber entgegenzuwirken. Darum erwarten die Währungsexperten mehrerer westlicher und russischer Banken, dass die Notenbank den Rubel schon bald um bis zu 30 Prozent abwerten lassen könnte.

Seit 1. August hat der Rubel gegenüber dem Dollar um 13 Prozent an Wert verloren (siehe Grafik). Da half es auch nichts, dass die Notenbank laut Berechnungen der Moskauer Trust Investment Bank rund 40 Mrd. Dollar (31,5 Mrd. Euro) verkauft hat, um den Kurs der russischen Währung zu stützen. Die Folge dieser staatlichen Politik zur Kursstützung macht sich aber in den Währungsreserven Russlands bemerkbar. Diese sind allein in den drei Monaten bis Ende Oktober um 19 Prozent auf 484,6 Mrd. Dollar geschrumpft, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet.

Russlands Lage wird dadurch erschwert, dass ausländische Investoren im selben Zeitraum von drei Monaten rund 140 Mrd. Dollar aus Russland abgezogen haben, wie die französische Bank BNP Paribas errechnet hat. Der in Dollar denominierte, wichtigste Aktienindex Russlands ist folglich um 61 Prozent abgestürzt.

Böse Erinnerung an 1998

„Wenn der Ölpreis fällt, Kapital aus Russland flüchtet und der Rubel schwächelt, ist es nicht mehr gerechtfertigt, seine Positionen zu behalten“, sagte Anas El Maizi stellvertretend für viele Investoren, die Russland den Rücken gekehrt haben. El Maizi verwaltet für Axa, den zweitgrößten Versicherungskonzern Europas, 342 Mrd. Dollar an Anleihen. Er hat seine russischen Positionen im August aufgelöst. „Wenn der Ölpreis sich auf diesem Niveau stabilisiert, hat Russland ein Problem.“

Und zwar eines, das Erinnerungen an die Russland-Krise im Jahr 1998 weckt. Damals konnte Russland Schulden über 40 Mrd. Dollar nicht mehr begleichen, und die Notenbank musste den Rubel um 71 Prozent abwerten lassen. Die Folgen waren auch westlich von St. Petersburg deutlich spürbar: Weil die Anleger in sichere Anlageformen flohen, fiel der Zinssatz auf zehnjährige US-Staatsanleihen um mehr als einen halben Prozentpunkt auf 4,98 Prozent. Der S&P-500-Index der 500 wichtigsten in New York notierten Konzerne stürzte gleichzeitig um 15 Prozent ab. Dadurch verlor der Hedgefonds Long-Term Capital Management vier Mrd. Dollar, brach zusammen und musste unter der Aufsicht der US-Notenbank Fed von den US-Investmentbanken aufgefangen werden.

Es hängt vom Ölpreis ab

Die Parallelen zu 1998 sind aber nur oberflächlich: Russland verdient heute trotz des stark gesunkenen Ölpreises rund 700 Mio. Dollar pro Tag mit dem Ölexport – siebenmal mehr als 1998. Die Währungsreserven sind 25-mal höher als am Vorabend der Krise. Sollte der Ölpreis aber längerfristig bei rund 60 Dollar je Fass bleiben, erwartet die älteste Moskauer Investmentbank Troika Dialog eine Abwertung gegenüber Dollar und Euro um 25 bis 30 Prozent.

Österreichische Investoren waren per Ende Juni in Russland mit rund 1,815 Mrd. Euro in Aktien und Investmentzertifikaten sowie 352 Mio. Euro in verzinslichen Wertpapieren veranlagt, teilte die Oesterreichische Nationalbank der „Presse“ mit. Per Ende 2006 hatten österreichische Unternehmen 1,8 Mrd. Euro in Russland investiert.

Auf einen Blick

Im August 1998 ließ Russlands Notenbank den Rubel abrupt um 71 Prozent abwerten. Anlass war die Unfähigkeit Russlands, 40 Mrd. Dollar Schulden zu bezahlen.

Heute hat Russland 25-mal höhere Währungsreserven als damals und nutzt sie, um den Rubel zu stabilisieren. Diese Politik scheint aber nicht mehr zu funktionieren, denn seit August hat der Rubel gegenüber dem Dollar um 13 Prozent abgewertet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2008)

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