Türkei: Die Liebe der Türken zum Gold schmilzt dahin

(c) AP (Kirsty Wigglesworth)
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In der Krise wird der Not-Groschen eingelöst: Die traditionelle Mitgift landet im Schmelzofen.

Istanbul. Wenn eine Türkin heiratet, so gibt man ihr traditionell Goldschmuck oder Goldmünzen als Mitgift mit. Der Schmuck wird angezogen, kleine, mit Nadeln versehene Goldmünzen an das Brautkleid gesteckt. Wenn die Ehefrau dann ein Kind zur Welt bringt, heften die Verwandten wieder Goldmünzen an ihr Kissen.

In dem jahrzehntelang von hoher Inflation geplagten Land gilt Gold als eine sichere Anlage, die zudem auch religiös nicht tabu ist, weil man dafür keine Zinsen kassiert. Was man so in Gold angelegt hat, das hebt man meistens lange auf für den Fall, dass einmal wirklich schlimme Zeiten kommen.

Nun scheinen sie da zu sein. Während die Türkei früher jedes Monat zwischen zehn und 15 Tonnen Gold einführte, sind die Importe seit Jahresanfang zum Erliegen gekommen. Stattdessen fließt ein Goldstrom von ein bis eineinhalb Tonnen täglich aus Anatolien nach Istanbul. Dort schmelzen zwei Öfen Goldstücke und Schmuck zu Barren für den Export ein. Der Goldexport, die Tonne für knapp 29 Mio. Dollar, hilft die schwächelnde Türkische Lira etwas zu stabilisieren.

Es ist möglich, dass einige der Verkäufe auch durch den hohen Goldpreis bestimmt sind. Aber angesichts der Rolle des Goldes als Notgroschen kann man davon ausgehen, dass die meisten Verkäufe aus schierer Not erfolgen.

Yen-Kredite werden faul

Auch alle Wirtschaftszahlen sprechen dafür. Von Dezember auf Jänner ist der Konsum um 15 Prozent eingebrochen. Die Industrieproduktion lag im Dezember um 17 Prozent, im Januar um 21 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der Export ging im Februar sogar um 35 Prozent gegenüber 2008 zurück.

Diese Daten drücken aber nur einen Teil der Probleme aus. Mieten von Wohnungen und Geschäften sind häufig in Dollar fixiert. Sein Kurs ist seit September um fast die Hälfte gestiegen. In den letzten Tagen hat sich der Wertverlust der Lira noch beschleunigt. Wegen der türkischen Hochzinspolitik wurden Hypothekarkredite oft in anderen Währungen, insbesondere in Yen, abgeschlossen. Auch deshalb trifft der Wertverlust der Lira viele Haushalte direkt, mag auch der Anteil fauler Kredite wesentlich niedriger sein als in den USA.

In der globalen Finanzkrise haben türkische Banken bisher nicht negativ von sich reden gemacht. Die auf den heimischen Markt konzentrierten Institute, die im Ausland eher als Kreditnehmer denn als Spekulanten auftraten, hat das Platzen der US-Immobilienblase nicht direkt getroffen.

Doch die Wirtschaftskrise ist da, und sie macht sich an anderen Schauplätzen bemerkbar – wie etwa auf dem Goldmarkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2009)

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