Russlands Hinterhof taumelt

Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon.
Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon.(c) AP (Mindaugas Kulbis)
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Die Krise trifft die Länder des kaspischen Raumes besonders hart. Der Weltbank zufolge müssen zwei Drittel der Bevölkerung Tadschikistans mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen.

Wien. Prächtige Hochzeiten und Beerdigungen hat Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon seinem Volk schon untersagt. Diesen Montag demonstrierte der Staatschef des zentralasiatischen Landes wieder seine volle Entschlossenheit. Ab dem 1. Mai sollen in Tadschikistan alle herkömmlichen Glühbirnen durch Energiesparlampen ausgetauscht werden, „aus Gründen der Energieersparnis“. Denkt man an einen vergleichbaren Beschluss der EU, erscheint die Maßnahme nicht so unvernünftig. Doch angesichts der gegenwärtigen Situation in der ehemaligen Sowjetrepublik mutet sie an wie Hohn.

Der Weltbank zufolge müssen zwei Drittel der Bevölkerung Tadschikistans mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Auf den Märkten des Landes kostet eine Glühbirne 50 US-Cent, eine Energiesparlampe fast das Zwanzigfache. Dazu sind wochenlange Stromausfälle in den Wintermonaten an der Tagesordnung, schreibt die russische Nachrichtenagentur Interfax, ebenso wie Engpässe bei der Lebensmittelversorgung. In der Sowjetunion war Tadschikistan die ärmste Republik. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR stürzte der neue Staat „vom unteren Rand der ehemaligen Zweiten Welt in die Vierte Welt“ ab, so das Resümee von Uwe Halbach von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), der die Auswirkungen der Krise auf den Kaukasus und Zentralasien untersucht hat.

Heute ist Tadschikistan einer der Brennpunkte der Region. Auf drastische Weise werden hier die Probleme des gesamten kaspischen Raumes deutlich. Eines Länderkorridors, der sich vom Kaukasus bis nach China erstreckt und dessen geopolitische sowie wirtschaftliche Bedeutung in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist. Dennoch rücken erst die Schwierigkeiten, die durch die Weltwirtschaftskrise aufkommen, auch diesen Teil der Welt in den internationalen Fokus.

Vor allem die wirtschaftliche Flaute in Russland sowie die Abwertung der kasachischen Währung Tenge belasten die Situation in Tadschikistan, Usbekistan, Kirgisien, Aserbaidschan, Georgien und Armenien enorm. Hinzu kommen schwindende Rohstoffexporte und einbrechende Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten in ihre Heimatländer.

Die Arbeitsmigranten haben traditionell eine bedeutende Rolle eingenommen. Mehr als ein Drittel der Erwerbsfähigen sind in einigen Ländern emigriert, so die SWP-Studie. Laut IWF machen in Tadschikistan die Überweisungen der Arbeitsmigranten 46 Prozent am gesamten BIP des Landes aus.

Ringen um Einfluss in Region

Als Handelspartner drängen sich USA, Russland und Europa um die Rohstoffe der Region. Die EU hofft etwa auf den kaspischen Raum als Energielieferant für das Pipelineprojekt „Nabucco“.

Die Krise hat diese Konkurrenzsituation nochmals verstärkt, heißt es in der SWP-Studie. So hat Russland die Region kurzerhand zur „Zone privilegierten Einflusses“ erklärt und im Februar einen Anti-Krisen-Fonds von zehn Mrd. Dollar auf den Weg gebracht, die Finanzierung sollen vor allem Russland und Kasachstan übernehmen. Die EU hat für ihre Initiative „Östliche Partnerschaft“ Hilfen von 600 Mio. Euro vorgesehen und plant parallel auch eine Intensivierung der Handelsbeziehungen. Das US-Verteidigungsministerium hat speziell für Tadschikistan ein Stabilisierungsprogramm beschlossen, weil es gelte, „die Entstehung eines zweiten Afghanistans zu verhindern“. Mit seinen sieben Mio. Dollar fällt es allerdings im Vergleich zu den Geldern aus Russland sehr bescheiden aus.

auf einen blick

Von Georgien bis Kirgisien– für Russland, USA und EU steigt die geopolitische und wirtschaftliche Bedeutung kaukasischer und zentralasiatischer Länder, doch die Wirtschaftskrise erhöht die Instabilität der Region enorm. Das Rennen um Macht und Ressourcen verschärft sich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2009)

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