Minus 60 Prozent: Russen kaufen kaum noch Autos

(c) AP (Alexei Nikolsky)
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Europas zweitgrößter Automarkt bricht um über 60 Prozent ein. Den Russen fehlt das Geld für den Autokauf. Trotz Protektionismus trifft es vor allem russische Anbieter wie AvtoVaz oder den Konzern GAZ.

Moskau. Die Zeit, da die Russen ihrem Premier Wladimir Putin blindlings folgten, geht offenbar allmählich zu Ende. Einen Lada Niva habe er sich zugelegt, sagte Putin vor einem Monat auf die Frage nach seinem Lieblingsauto russischer Produktion: Demnächst werde er ihn registrieren, um die einheimische Autoproduktion zu unterstützen. Das Gros der Russen tut das nicht. Sie kaufen wegen der Wirtschaftskrise nicht nur generell kaum noch Autos. Sie kaufen vor allem kaum noch Wägen aus russischer Produktion.

Gerade die Skepsis gegenüber den eigenen unterentwickelten Marken ist tief wie eh und je. Um ganze 71,6 Prozent auf 57.200 Stück ist daher deren Produktion wegen ausbleibender Nachfrage im ersten Quartal in diesem Jahr eingebrochen, heißt es in einem Bericht des Wirtschaftsministeriums. Mehr noch als der russische Platzhirsch AvtoVaz, der Putins Lada produzierte, haben die kleineren Konkurrenten verloren. Der Konzern GAZ des kurzzeitigen Magna-Aktionärs Oleg Deripaska hat die Produktion überhaupt so gut wie eingestellt.

Protektionismus greift nicht

Im Wissen um die Rückständigkeit der eigenen Marken hatte Putin bereits in den letzten Jahren ausländische Autofirmen zu einem Produktionsaufbau in Russland animiert. Federn lassen müssen nun auch sie, wiewohl sie bislang besser davonkommen als ihre autochthonen Konkurrenten. So hat Ford in Russland seine Produktion im ersten Quartal nur um 19,4 Prozent zurückgefahren, Volkswagen nur um 7,5Prozent, Avtotor, das in der russischen Exklave Kaliningrad verschiedene Modelle von BMW, Chevrolet und Hummer zusammenbaut, um über 70 Prozent. In Summe wurden in Russland im ersten Quartal um 63 Prozent weniger Autos produziert. Damit war die eigene Produktion gegen den Willen der Regierung schneller zurückgegangen als der Gesamtverkauf, der laut Association of European Businesses (AEB) im ersten Quartal um 40 Prozent einbrach.

Die Regierung hatte mit ihren protektionistischen Maßnahmen ursprünglich darauf gehofft, den Import von Gebrauchtwagen unmittelbar um 75Prozent auf 169.000 Stück und den von Neuwagen um 48,7Prozent auf 747.000 Stück zu senken.

In jedem Fall dominieren Importautos den russischen Automarkt. Der Importdruck und der starke Rubel hatten bis zum Herbst dazu geführt, dass einheimische Fahrzeuge hinsichtlich der Anzahl nur noch ein Fünftel des russischen Marktes ausmachten, hinsichtlich des Marktwertes überhaupt nur elf Prozent. Der russische Automarkt, seit Kurzem der zweitgrößte in Europa, fällt von hohem Niveau tief. Im Vorjahr wurden inklusive Import laut Statistik der Association of European Businesses (AEB) 2,93 Millionen Autos verkauft.

Autokredit ist unerschwinglich

Die Wirtschaftskrise aber macht den Autokauf immer mehr zum Luxusvergnügen. Löhne werden gekürzt, Personal massenweise entlassen. Die hohen Prozentsätze machen Autokredite unerschwinglich. Im ersten Quartal schrumpfte die russische Wirtschaft um 9,5 Prozent, weshalb das Wirtschaftsministerium von minus sechs bis 7,3 Prozent für 2009 spricht. Auch die Prognosen für den Einbruch auf dem Automarkt 2009 wurden von 40Prozent im Dezember bereits auf 60 Prozent erhöht.

Um in der Krise die eigene Produktion zu schützen, hat die russische Regierung mit Jahresbeginn die Schutzzölle gegen den Import erhöht. Außerdem wurden sechs Mrd. Rubel (138Mio.Euro) zur Stützung von Krediten auf Autos in der Preisklasse bis 7800 Euro bereitgestellt, was allerdings nur zur Verkaufsförderung von 150.000 Autos reicht. Vor allem aber erhält AvtoVaz Staatshilfen in der für Russland beispiellosen Höhe von 115 Mrd. Rubel (2,6 Mrd. Euro).

auf einen blick

Der Absatz auf Europas zweitgrößtem Automarkt bricht massiv ein. Noch stärker als der Autoimport leidet die Produktion in Russland selbst.

Schutzzölle und Beihilfen, mit denen der Kreml die heimischen Autobauer stützen wollte, greifen offenbar nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2009)

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