Sberbank: Ein Elefant im Staatsdienst

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Der Kreml schickt seine größte Bank ins Rennen um Opel. Das Management ist davon wenig begeistert. „GAZ und Sberbank gehen da nicht freiwillig hinein“, sagt Jelena Sachnowa, Analystin bei VTB Capital, zur „Presse“.

Moskau. German Gref hat nicht das Aussehen für markige Sprüche. Der Mann mit dem braven Seitenscheitel und den violetten Krawatten erzeugt eher den Eindruck des ruhigen Musterschülers. Wenn er aber einmal in die verbale Schatzkiste greift, dann gezielt. Eine „Neandertaler-Ideologie“ nannte er vor wenigen Jahren als liberaler Wirtschaftsminister die Gier der Hardliner im Kreml, alle lukrativen Aktiva unter staatliche Kontrolle zu stellen.

Die Sberbank kam in Grefs Beurteilung vergleichsweise gut weg: Als er das verstaubte Geldinstitut vor eineinhalb Jahren übernahm, nannte er es schlicht einen Elefanten. Nicht zum Aussterben bestimmt wie der Neandertaler, aber doch zum Abspecken angehalten. Er werde ihn das Tanzen lehren, meinte Gref.

Eineinhalb Jahre später ist die größte Bank Mittel- und Osteuropas auf dem Sprung, im Konsortium mit Magna und dem russischen Autohersteller GAZ die GM-Tochter Opel zu übernehmen. Zum flotten Tanzschritt aber ist es für die Traditionsbank mit ihren etwa 260.000 Mitarbeitern noch weit. Mit Reformen habe sie es nicht sehr eilig, befindet das russische „Forbes“-Journal: Zumindest sei 2008 die Mittagspause in den Filialen abgeschafft worden, und nun werde die erste Filiale für reiche Kunden geschaffen.

Aber E-Banking bleibt Zukunftsmusik. Und vor den Schaltern der Bank, die mit ihren 7,3 Billionen Rubeln (214 Mrd. Dollar) ein Viertel der Bilanzsumme des russischen Bankensektors auf sich vereinigt, stehen die Kunden nach wie vor geduldig Schlange.

Die Russen bleiben der staatlich kontrollierten „Sparkasse“, wie die Sberbank übersetzt heißt, trotzdem treu. Über 50 Prozent der Spareinlagen werden in ihr gehortet, eine Folge des dichten Netzes mit über 20.000 Filialen – und des Misstrauens der Bürger gegenüber privaten Geldinstituten.

Neue Krise durch faule Kredite

Die Finanzkrise erschüttert das Vertrauen und das Bankensystem selbst. Vor allem die faulen Kredite drohen eine zweite Krisenwelle auszulösen, warnt Finanzminister Alexej Kudrin. Laut Zentralbank sind derzeit 3,1 Prozent der Unternehmenskredite und vier Prozent der Privatkredite faul. Analysten verdoppeln die Schätzung und prophezeien zwischen zehn und 40 Prozent bis Jahresende.

Auch Grefs Institut, das 2008 immerhin 2,5 Mrd. Euro Gewinn erwirtschaftete, wird nicht verschont. Die Bank hat ihren Gewinn im vierten Quartal 2008 und im ersten Quartal 2009 für Rücklagen verwendet. Sollten diese 2009 auf zehn Prozent steigen, wird ein Verlust befürchtet.

Gewiss, der Platzhirsch mit 20 Mrd. Euro Marktkapitalisierung hat den Staat an seiner Seite. Als Gegenleistung aber muss er ihm auch dienen. Etwa als Instrument zur Krisenbekämpfung. Um den realen Sektor zu kreditieren, erhielt die Sberbank schon im Herbst 500 Mrd. Rubel – mehr als alle anderen Banken zusammen.

Und nun muss sie im Fall Opel den Wunsch der Regierung erfüllen, im Land eine moderne Autoindustrie aufzubauen. Laut Magna-Angaben würde die Sberbank 35 Prozent an Opel erhalten, Magna selbst nur 20 Prozent.

„GAZ und Sberbank gehen da nicht freiwillig hinein“, sagt Jelena Sachnowa, Analystin bei VTB Capital, zur „Presse“: „Die russische Regierung übt Druck auf sie aus.“ Oleg Solncev, Bankenexperte auf dem Moskauer Zentrum für makroökonomische Analysen, sekundiert: „Ohne Regierungsauftrag ist ein finanzielles Engagement im Ausland derzeit schwer zu rechtfertigen.“ Tatsächlich hat man zu Hause genug Probleme.

„Opel-Anteil würde verkauft“

Nicht nur die hoch verschuldete GAZ, deren Kontrollmehrheit als Kreditbesicherung bei der Sberbank hinterlegt ist, würde sich mit Opel eine Zusatzbelastung aufhalsen, meint Sachnowa: „Die Sberbank ihrerseits fürchtet, dass sie enorm viel Kapital bei Opel bindet und nun generell für eine Kreditierung der russischen Autoindustrie herangezogen wird.“

In der Tat ließ Gref keine Begeisterung erkennen, als er eine Beteiligung an einem Konsortium für Opel nicht ausschloss. Die Entscheidung obliege dem Verwaltungsrat, meinte er lapidar.

Sollte das Konsortium den Zuschlag erhalten, werde die Sberbank ihren Anteil von 35 Prozent so schnell wie möglich verkaufen, meint Sachnowa – um dann selber in die GUS, nach Indien oder China zu expandieren, wie Gref schon vor der Krise verordnete.

Die Sberbank

OAO Sberbank ist die größte Bank Russlands und Osteuropas. Das 1841 gegründete Institut mit Sitz in Moskau hat 20.000 Filialen, 261.000 Angestellte und 250 Millionen Privatkunden. 60 Prozent der Aktien hält die russische Zentralbank, den Rest halten institutionelle und private Anleger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2009)

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