Energie: Europa lechzt nach flüssiger Energie

(c) APA (Robert Jäger)
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Polen sichert sich 20 Jahre Flüssiggas aus Katar, um die Abhängigkeit von Moskau zu verringern. Das erste Schiff mit Flüssiggas soll Anfang 2014 durch die Ostsee fahren und an einem Gasterminal im Hafen von Swinoujscie anlegen.

Warschau. Wie schon einige europäische Länder vorher, zieht nun auch Polen Konsequenzen aus dem „Gaskrieg“ zwischen Russland und der Ukraine. Der polnische Staatskonzern PGNiG ist auf der Suche nach alternativen Lieferanten fündig geworden und hat in diesen Tagen einen Vertrag mit LNG Qatargas aus dem Emirat Katar unterzeichnet.

Wie Schatzminister Aleksander Grad in Warschau mitteilte, soll Polen ab 2014 jährlich 1,5 Mrd. Kubikmeter Flüssiggas (LNG) erhalten, rund zehn Prozent des Gesamtverbrauchs des Landes. Dabei wird Erdgas auf minus 161 Grad abgekühlt und dadurch verflüssigt. Sein Volumen schrumpft so um das 600-Fache und macht damit den Transport mit Spezialschiffen möglich. Derzeit deckt Polen seinen Gasbedarf zu einem Drittel aus eigenen Beständen, ist aber bei Importen auf Lieferungen aus Russland angewiesen.

Polens Vertrag mit dem Scheichtum wird bis 2034 laufen, sein jährlicher Wert beträgt rund 360 Mio. Euro. Das erste Schiff mit Flüssiggas soll Anfang 2014 durch die Ostsee fahren und an einem Gasterminal im Hafen von Swinoujscie (Swinemünde) anlegen, der dafür allerdings noch ausgebaut werden muss. Doch kaum ist der Vertrag unterzeichnet, gibt es erste Probleme: Das Wasser ist an jener Stelle nur knapp 14 Meter tief. Das Flüssiggas soll in neuen, großen Schiffen mit über zwölf Meter Tiefgang geliefert werden. Diese könnten die auf dem Boden der Ostsee verlaufende Pipeline aber nicht mehr passieren, wie die für den Seeverkehr zuständige Behörde in Stettin mitteilte. Wie dieses Problem zu lösen ist, scheint noch unklar.

Überkapazität in den Emiraten

Wegen des teuren Transports und der Verflüssigung kostet das Gas aus Katar Polen zudem mehr als jenes aus Russland, was Warschau aber nicht zögern ließ, den Deal zu unterzeichnen. Schließlich wirft Polen den Russen vor, die Gaslieferungen zu benutzen, um politischen Druck auf die Abnehmer auszuüben. Der Streit zwischen Moskau und Kiew Anfang des Jahres hatte zu wochenlangen Lieferausfällen in Europa geführt.

Für Katar, mit einer Produktionsmenge von 30 Mio. Tonnen (bei null Grad Celsius etwa 44 Mrd. Kubikmeter) der weltweit größte Erzeuger von Flüssiggas, kommt der Deal gerade recht. Die arabischen Länder hatten – in Hoffnung auf den Exportmarkt USA – zuletzt große Kapazitäten aufgebaut. Katar allein will seine Produktion bis 2020 verdreifachen. Nun, da die Nachfrage nach Erdgas erstmals seit 50 Jahren wieder sinkt und Amerika auf eigene Reserven zurückgreift, stehen die Länder mit Überkapazitäten da.

An Abnehmern wird es dennoch nicht fehlen. Denn Polen ist bei Weitem nicht das einzige Land in Europa, das sich nach Alternativen zum Hauptlieferanten Russland umsieht. So unterzeichnete etwa Bulgarien jüngst einen vergleichbaren Liefervertrag mit Ägypten. Ab 2011 soll jedes Jahr etwa eine Mrd. Kubikmeter LNG auf Tankern den Weg nach Bulgarien finden.

In der gesamten EU werden knapp zehn Prozent des gesamten Gasbedarfs per Schiff gedeckt, in Spanien sind es gar 70 Prozent. Abgesehen davon werden in Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, Italien und Kroatien weitere Häfen für die Spezialtanker gebaut. Einer dieser sogenannten LNG-Terminals soll unter Beteiligung des heimischen Mineralölkonzerns OMV auf der kroatischen Insel Krk entstehen. Der Baubeginn ist für 2011 oder 2012 geplant.

EU braucht mehr Flüssiggas

2007 landeten 47 Mrd. Kubikmeter Flüssiggas in den Häfen der EU. Um den steigenden Gasbedarf Europas (bis 2020 plus 130 Mrd. Kubikmeter) in Zukunft zu decken, müssten die derzeitigen Importmengen aber drastisch erhöht werden, berechnete die Unternehmensberatung A.T. Kearney. Selbst wenn bis 2020 die geplanten Pipelineprojekte zusätzliche 150 Mrd. Kubikmeter Gas in die Union bringen, müsste sich die Importmenge von Flüssiggas nach Europa bis dahin verdreifachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2009)

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