Finanzhilfen: Russland vergibt Kredite nur an brave Brüder

Serbien, Bulgarien und Weißrussland hoffen in der Krise auf Milliardenhilfe aus Moskau.

Moskau. Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Auf diese Formel lässt sich Russlands Reaktion auf die jüngsten Attacken des weißrussischen Staatschefs Alexandr Lukaschenko bringen. Dieser hatte am Freitag eine beispiellose Schimpftirade gegen Wladimir Putin losgelassen.

Der russische Premier sei am miesen Verhältnis mit Weißrussland schuld, ließ Lukaschenko wissen: Putin habe schon 2004 eine „Verschwörung“ auf dem Gassektor gegen Weißrussland gestartet, und er sei das Hindernis, dass die beiden Staaten bei der geplanten Unionsbildung nicht vorankämen.

Putin schwieg. Stattdessen redete sein Finanzminister Alexej Kudrin. Weißrussland erhalte die letzte Tranche des Zwei-Mrd.-Dollar-Kredites aus Russland nicht, ließ Kudrin wissen: „Auf bilateraler Grundlage geben wir ihn nicht aus.“

Noch 2008 hatte Russland die Kredithilfe für seinen Bruderstaat beschlossen. Mit der letzten Tranche von 500 Mio. Dollar aber zögert Russland, weil laut Kudrin die Bonität Weißrusslands nicht ausreichend geprüft sei.

Weißrussland, dessen Wirtschaft 2009 laut IWF nur um 1,2 Prozent fallen wird, ist nicht das einzige Land, das um Finanzhilfe in Moskau vorstellig wurde. Zwar ist der potenzielle Geldgeber Russland mit einer prognostizierten Rezession von 7,5 bis 8,5 Prozent 2009 auf den ersten Blick stärker von der Krise betroffen als viele osteuropäische Staaten.

Aber die angehäuften Reserven aus der Rohstoffhausse lassen sogar manchen Staat, der sich zuletzt mit Moskau angelegt hat, zu Kreuze kriechen.

Belohnung für South Stream

Bulgarien etwa, dessen neue Regierung kürzlich Energieprojekte mit Russland infrage stellte. Wie Kudrin erklärte, wurden soeben die Bedingungen für einen neuen Kredit diskutiert. Die Bulgaren haben um 3,8 Mrd. Euro angefragt. Das Geld ist an den Bau des AKW Belene gebunden. Er werde, ließ Kudrin wissen, nur dann gewährt, wenn russische Spezialisten weiterhin zum Bau zugelassen werden. „Es geht nicht um einen Stabilisierungskredit mit kurzer Laufzeit“, erklärt Alexandr Apokin vom Moskauer Institut für Makroökonomische Analyse den Umstand, dass Bulgarien nicht beim IWF, sondern in Moskau anfragt.

Auch Serbien rennt in Moskau offene Türen ein, erklärte Kudrin. Die Serben klopfen um 350 Mio. Dollar zur Stopfung des Budgetdefizits und 650 Mio. Dollar zur Entwicklung von Finanzprojekten an.

Serbien könne wegen der Teilnahme an der von Russland forcierten Gaspipeline South Stream ebenso wie Bulgarien in Moskau bessere Kreditkonditionen aushandeln als bei institutionellen Kapitalgebern, meint Apokin. Im Übrigen ist keiner dieser Kredite gegessen, wie Apokin betont: „Es handelt sich nur um eine neue Etappe der Verhandlungen.“

Keine Chance für Kiew

Diese können sich hinziehen, wie das Beispiel Island zeigt, mit dem Russland seit einem Jahr ergebnislos verhandelt. Von den anfänglich kolportierten vier Mrd. Euro sind derzeit nur noch 500 Mio. im Gespräch. Andere halfen schneller, Milliarden kamen vom IWF und von den skandinavischen Bruderstaaten.

Hofft Island noch auf Russland, hat die Ukraine die Hoffnung schon aufgegeben. Dort fällt das BIP 2009 um 14 Prozent zurück, der IWF muss das Land mit 16,4 Mrd. Dollar vor dem Kollaps retten. Die angefragten fünf Mrd. Dollar aus Moskau werde Kiew nicht erhalten, bekräftigte Kudrin.

Weißrussland übrigens, das mit Unterstützung Russlands bereits Geld vom IWF erhalten hat, könne ja auch auf den Fond „Evrazes“ zählen, erklärte Kudrin. Der Fond wurde von GUS-Staaten eingerichtet und wird zum Großteil (mit 7,5 Mrd. Dollar) von Russland gefüllt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2009)

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