Rumänien: Arm in Arm für den Zwangsurlaub

(c) Reuters (Bogdan Cristel)
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100.000 Staatsdiener sollen abgebaut werden. Andere Maßnahmen könnten ebenso viele Jobs in der Privatwirtschaft kosten. Nicht zuletzt deshalb kämpfen Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam für den Zwangsurlaub.

BUKAREST/WIEN. Cezar Corâci und Bogdan Iuliu Hossu sind keine Menschen, die sich von Amts wegen blind verstehen. Der eine ist Präsident des rumänischen Arbeitgeberverbandes Ugir-1903, der andere Chef des Gewerkschaftsbundes Alfa Cartel. Und dennoch wandten sie sich gemeinsam an Ministerpräsident Emil Boc, um zu erreichen, dass die Notverordnung über Zwangsurlaube verlängert wird.

Das war vergangene Woche. Inzwischen ist klar, dass die Regierung ihrem gemeinsamen Wunsch nicht nachkommt. Und dass der Februar trotz sibirischer Kälte ein „heißer“ Monat wird.

Wohldosierte Proteste

Seit im Dezember nach monatelanger Regierungskrise eine Koalition der Liberaldemokratischen Partei mit der Vertretung der ungarischen Minderheit und unabhängigen Abgeordneten die Arbeit aufgenommen hat, macht sich in Bukarest kaum jemand Illusionen: Die Sozialisten, zuvor durch die Regierungsbeteiligung schaumgebremst, lassen in der Opposition ihrer Kritik freien Lauf. Was ihnen durch die Regierungspolitik nicht gerade schwer gemacht wird: Laut der Tageszeitung „Gândul“ sollen heuer nicht weniger als 100.000 Staatsdiener abgebaut werden.

Die Proteste laufen wohldosiert an. FNSA, die Gewerkschaft der Staatsbediensteten, hat für 2.Februar einen zweistündigen Warnstreik angekündigt, dem genau eine Woche später die Übergabe einer Petition an das Verwaltungs- und Beschäftigungsministerium folgen soll. Darin wollen die Gewerkschafter dieselben Forderungen stellen, die sie schon vergangene Woche in einem offenen Brief an Boc formuliert haben: Rücknahme der Sparpläne. Gibt die Regierung nicht nach, soll am 12. Februar ein unbefristeter Streik folgen. Etwa zur selben Zeit will auch der Gewerkschaftsverband CNSLR-Fratia streiken.

Die Regierung kann nicht nachgeben. Sie will mit dem Sparpaket das Budgetdefizit für heuer von 7,3 auf 5,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes drücken. Das Budget wurde Mitte Jänner nach Dutzenden von Abänderungsanträgen durch das Parlament gepeitscht. Das Kabinett hofft, dass damit die Auszahlung weiterer Hilfskredite des Internationalen Währungsfonds möglich wird. Eine heute, Mittwoch, aus Bukarest abreisende IWF-Delegation soll das erlösende Wort sprechen.

Der Kern der Sparmaßnahmen ist in einem „Dringlichkeitsdekret“ aufgeschlüsselt: Heuer müssen 17.000 Jobs in Lokalverwaltungen, 15.000 im Unterrichtswesen, 3000 im Sozialbereich und bis zu 15.000 im öffentlichen Transport (davon 10.342 bei den Rumänischen Staatsbahnen) gestrichen werden. Wo sonst noch abgebaut wird, blieb vorerst offen.

1,5 Millionen Arbeitslose

Dazu kommt Verunsicherung, welche Maßnahmen der Regierung die Privatwirtschaft treffen. Eine dieser „Maßnahmen“ hat Arbeitgeberpräsident Corâci und Gewerkschafter Hossu zusammengeführt: Sie wollen erreichen, dass eine Notverordnung aus dem Vorjahr verlängert wird. Diese ermöglicht Unternehmen, einen Teil der Belegschaft auf Zwangsurlaub zu schicken. Hossu argumentiert, dass das für den Staat günstiger sei als Arbeitslosigkeit, weil er nur 15 Prozent der anfallenden Kosten zu tragen habe (den Rest trägt das Unternehmen). Und Corâci meint: „Durch den Zwangsurlaub können wir wenigstens unsere geschulten Arbeitskräfte behalten – wenn wir dann mit der alten Kapazität produzieren, könnten wir alle Mitarbeiter beschäftigen.“ Im Vorjahr waren fast eine Million Menschen zeitweilig auf Zwangsurlaub.

Insgesamt erwartet Alfa Cartel, dass „die Regierungspolitik ab Anfang Februar 200.000 zusätzliche Arbeitslose produziert“. Zum Jahresende könnten 1,5 Millionen Rumänen ohne Job dastehen.

AUF EINEN BLICK

100.000 Staatsdiener sollen laut Sparpaket der Regierung abgebaut werden. Andere Maßnahmen könnten ebenso viele Jobs in der Privatwirtschaft kosten. Nicht zuletzt deshalb kämpfen Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam für den Zwangsurlaub.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2010)

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